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Oliver - Peace of Mind

Oliver - Peace of Mind

Titel: Oliver - Peace of Mind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Schroeter
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parkte Ralf den Wagen und führte uns zu einer winzigen
Garage. Die Auffahrt verlief extrem steil nach unten und führte in die
Garagenräume eines alten roten Backsteinhauses.
     
    Wie ich später erfuhr, handelte es sich dabei um eine Doppelgarage, die
sich ganz in der Nähe des großen Stadthauses befand, das Ralf inzwischen wieder
mit seinen Eltern bewohnte. Sie diente ihm ausschließlich dazu, seine beiden
Babys, sprich, seine teuren Autos, darin aufzubewahren.
     
    „Merkwürdig“, dachte ich. „Und Olli muss sich ein Zimmer mit seinem
Bruder teilen, der ihm ständig zu verstehen gibt, dass er eigentlich zu viel
ist. Und auch Betty arbeitet sich buckelig, um über die Runden zu kommen.“
     
    Wir folgten also einem sehr stolzen Ralf in seine Garage, wo eine
knallrote Corvette stand. Ich hatte noch nie von dieser Automarke gehört, wusste
daher nicht, ob das was Besonderes war. Sie sah sehr anders und sehr glänzend
aus, das fand ich schon, aber sonst? Dennoch lächelte ich höflich. Olli war
offenbar überglücklich, dass sein Vater der Besitzer zweier solcher Fahrzeuge
war.
     
    Nur, was hatte er eigentlich davon? Betty fuhr einen alten kleinen
dunkelblauen Audi 80. Und das war auch der Kofferraum, aus dem die Brüder
einmal pro Woche den Einkauf entluden und die Treppen hoch schafften.
    Betty arbeitete nach ihrer eigentlichen Arbeit bei der Post noch als
Haushaltshilfe bei einer reichen Familie in Alsternähe. Wenn dort die
begehbaren Schränke ausgemistet wurden, brachte Betty die abgetragenen
Markenklamotten der Familie mit nach Hause. Wenn Oliver eines dieser Marken
T-Shirts oder Sweater überstreifte, dann, und nur dann, sah er genauso stolz
aus wie jetzt, als wir vor den Autos seines Vaters standen.
     
    Das andere Mal, wo Ralf sich seines Sohnes erbarmte, war als die Firma,
bei der er als angesehener Repräsentant tätig war, einen Stand auf der Messe
aufgebaut hatte. Als müssten wir zu einem wichtigen Termin aufbrechen, waren
wir aufgeregt und überpünktlich mit der U-Bahn losgefahren. An den Messehallen
angekommen, ließen wir uns mit den Menschenmassen zum Haupteingang treiben. Wir
fanden Ralf an seinem beeindruckenden Werbestand. Er war tadellos gekleidet und
selbstverständlich wies er tadellose Manieren auf. Er passte so gar nicht zu
seinem Sohn. Und Ralf machte auch kein Hehl daraus, dass er dies wusste.
     
    Wir begleiteten ihn zu mehreren Ständen, an denen wir immer Bekannten
vorgestellt wurden. Jedes Mal wurden wir zu einem Altbier eingeladen. Altbier
war wohl gerade modern.
     
    Nach dem Fünften musste ich passen, sonst wäre ich lang hingeschlagen,
oder Olli hätte mich nach Hause tragen müssen. Hatte Olli gar nicht mit
getrunken? Oder waren die Biere spurlos durch ihn durchgelaufen? Ich erinnere
mich nicht mehr.
    Als ich endlich mit ihm heimwärts torkelte, war ich vom Bier besonders
verliebt und selig, ihn bei mir zu haben. Ich fand Olli noch attraktiver als
sonst, und seine leidenschaftliche Art steckte mich heute an.
     
    Zuhause angekommen fielen wir übereinander her. Bis ich ihm sagte, er sei
so schwer auf meinem Bauch. Also tauschten wir die Seiten. Nun musste ich mich
zu ihm hinunter beugen. Das war noch schlimmer.
    Abrupt beendete ich unser Liebesspiel, griff mir das erstbeste T-Shirt,
stürzte ins Bad und umarmte für den Rest des Tages die Kloschüssel. Oliver kam
nach, lachte mich aus und hielt mir die Haare zurück. Ich wollte nur noch
sterben.

Sommer 1984
     
    Es war ein heißer Sommer. Wir lagen auf der Wiese hinter dem Haus, saßen
auf unserem Spielplatz oder gingen in den Kleingartenanlagen spazieren. Wir
hörten Billy Idol und die Toten Hosen. Manchmal auch Bryan Adams „Summer of 69“.
Auch wenn das nicht unser Jahr war. Wir waren aus 1968.
     
    Eines Tages, ich war nach der Schule noch kurz zuhause Essen gewesen,
hatte Olli eine Videokassette. Betty hatte vor Kurzem einen Videorekorder
angeschafft. Das war die neueste Erfindung. Wir hatten so was noch nicht. Oliver
und Dave hatten auch schon eine Atari Konsole, an der sie Spiele am Fernsehbildschirm
spielen konnten. Betty hatte sie gekauft, damit ihre beiden Söhne sich nicht so
langweilten, während Betty fast Tag und Nacht arbeitete, um ihnen eben solche
Dinge finanzieren zu können.
    Oft mussten wir tagsüber leise sein, weil Betty schlafen musste. Sie
steckte sich dann Ohropax in die Ohren und schlief. Denn um vier Uhr morgens
begann ihre Schicht bei der Post.
     
    Nun gab es also einen Videorekorder. Und

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