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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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Brech mal den Laden auf. Der Bursche wird schon das Maul halten;ich steh dir gut dafür. Da hab ich schon ältere gesehen als den Knirps da, die das Maul gehalten haben.«
    Flüche vor sich hinmurmelnd, setzte Sikes geräuschlos seine Brechstange an den Laden an. Die Angeln gaben nach.
    Ein kleines Gitterfenster in der Höhe von ungefähr fünf und einen halben Fuß über der Erde an der rückseitigen Hauswand wurde sichtbar, und gleich darauf war auch der Rahmen des Fenstergitters aus den Angeln gehoben.
    »So, paß auf jetzt, junger Hund du«, flüsterte Sikes, zog eine Blendlaterne aus der Tasche und richtete ihr Licht direkt auf Olivers Gesicht. »Wir schieben dich durch das Loch da jetzt ins Haus hinein. Das Licht hier nimmst du mit, dann gehst du langsam immer der Nase nach die Treppe hinauf bis zur Haustür, machst sie auf und läßt uns rein. An der Tür oben ist ein Riegel, an den du nicht wirst rauflangen können. Dann nimmst du ’n Stuhl, einen von denen, die im Vorhaus stehen, und stellst dich drauf. Es stehen ihrer nämlich drei dort, Bill, alle mit einem schönen blauen Einhorn drüber und ’ner goldnen Heugabel als Wappen, das ist der ollen Schachtel ihr Wappen.«
    »Und daß du dich ruhig verhältst, verstanden?« flüsterte Sikes mit drohender Miene. »Die Stubentür ist offen, nicht wahr?«
    »Sperrangelweit offen«, antwortete Toby, nachdem er noch einen Blick durchs Fenster hineingeworfen, um sich zu vergewissern, »und den Hund hat Barney heute abend stumm gemacht. Fein, sag ich dir.«
    Trotzdem Mr. Crackit kaum hörbar flüsterte und ganz geräuschlos lachte, befahl ihm Sikes wütend, zu schweigen und sich lieber an die Arbeit zu machen. Mr. Crackit gehorchte, stellte sich ans Fenster und beugte sich nieder, um für Oliver mit dem Rücken einen Tritt zu bilden. Dann wurde der Knabe mit den Füßen voran behutsam durchdas Fenster geschoben und im Innern des Hauses niedergestellt.
    »So, da hier nimm die Laterne«, rief Sikes und steckte den Kopf durch das Fenster hinein. »Siehst du die Stiege da vor dir?«
    »Ja«, hauchte Oliver, mehr tot als lebendig. Er sah den Lauf von Sikes’ Pistole blitzen und begriff, daß es ihm nichts helfen würde, davonzulaufen, da er immerwährend in Schußweite sein werde.
    »In einer Minute haben wir’s«, hörte er Sikes murmeln. »Wenn ich dich loslasse, machst du dich an die Arbeit, verstanden?«
    »Horch, was ist das!« flüsterte Crackit.
    Sie lauschten gespannt.
    »Nichts«, murmelte Sikes und ließ Oliver los. »Also marsch an die Arbeit.«
    In der kurzen Spanne Zeit, die ihm geblieben war, sich zu sammeln, hatte Oliver den festen Entschluß gefaßt, sollte es ihn das Leben kosten oder nicht, zu trachten, vom Vorderhause aus die Treppe zu gewinnen, um die im Hause schlafende Familie zu wecken. Von diesem Gedanken angespornt, schlich er sich leise vorwärts.
    »Zurück«, schrie Sikes plötzlich mit lauter Stimme. »Zurück, zurück!«
    Erschreckt ließ Oliver die Laterne fallen und wußte einen Augenblick lang nicht, sollte er vorwärts laufen oder stehenbleiben.
    Sikes wiederholte seinen Ruf – ein Licht tauchte in der Finsternis auf, zwei halb angekleidete Männer erschienen oben auf dem Treppenabsatz – ein Blitz – ein Krach irgendwo – wo, konnte Oliver nicht mehr unterscheiden – und dann taumelte er zurück.
    Eine Sekunde lang war Sikes verschwunden, aber gleichdarauf erschien er wieder oben am Fenster, packte den Knaben am Kragen, feuerte seine Pistole auf die beiden Männer ab und zog Oliver in die Höhe. »Leg den Arm fester an«, schrie er und riß ihn durchs Fenster durch. »Ein Halstuch her, Toby – die Kerle haben ihn angeschossen. Rasch, rasch! Verdammt noch mal, er blutet.«
    Man hörte eine Glocke tönen, Feuerwaffen knallten, und mitten in einem Getöse von Menschenstimmen wurde Oliver rasch über den holprigen Boden vorwärts geschleppt. Immer verworrener wurde der Lärm, dann schlich sich ein kaltes tödliches Gefühl in Olivers Herz, und einen Augenblick später sah und hörte er nichts mehr.

DREIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
    Enthält den wesentlichsten Teil einer anmutigen Unterredung zwischen Mr. Bumble und einer Dame und erbringt gleichzeitig den Beweis dafür, daß auch ein Kirchspieldiener in manchen Punkten äußerst empfindlich sein kann
     
    Zu einer harten dicken Kruste gefroren lag der Schnee. In tausend Wirbeln drehten sich die Flocken und zerstoben in der Luft. Es war trüb, finster und grimmig kalt und so recht eine

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