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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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hielt mit dem Zeichnen inne, »was glauben Sie wohl, Fagin, woran er denkt?«
    »Gott über die Welt, wie soll ich das wissen, mei Jung«, erwiderte Fagin über die Schulter und fing an den Blasebalg zu handhaben. »Meglich: über sei Pech, meglich auch: über den angenehmen Aufenthalt auf dem Land, den er jetzt hinter sich hat. Hahaha, hab jach recht geraten?«
    »Falsch«, erklärte der Baldowerer und nahm Mr. Chitling damit das Wort aus dem Mund. »Was meinst du, Charley?«
    »Nun – hem – ich glaube«, erwiderte Master Bates und zog grinsend den Mund von einem Ohr zum andern, »er hat gar so charmiert mit der Betsey. Siehst de, wie er rot wird! Ja ja, meine Augen! Na, das wird ’n feiner Jux. Tommy Chitling ist verliebt! Herrgott, ist das ein Jux, Fagin!«
    Und außer sich vor Fröhlichkeit warf sich Master Bates in seinem Stuhl zurück, daß er das Gleichgewicht verlor und nach hinten auf den Boden fiel, was ihn aber nicht störte, weiter aus vollem Hals zu lachen. Dann nahm er seine frühere Stellung im Sessel wieder ein und platzte abermals los.
    »Nur, was is da weiter«, sagte der Jude, blinzelte Mr. Dawkins zu und versetzte Master Bates einen verweisenden Schlag mit dem Blasebalg. »Betsey ist ä feines Mädel; mach dich immer ran an sie, Tom; was ist da weiter?«
    »Was da weiter ist, Fagin?« grollte Mr. Chitling und wurde blutrot dabei im Gesicht. »Das geht, dächte ich, hier keinen Menschen was an.«
    »Auch recht, gewiß, niemand gehts was an«, sagte der Jude. »Laß Charley reden, was er mag; mach dir nix draus, mei Jung, mach dir nix draus. Die Betsey is ä feines Mädel, laß dir nur immer von ihr raten, und du wirst machen dei Glick.«
    »Das tu ich jetzt schon«, erwiderte Mr. Chitling; »aber hätt sie mir nicht geraten, hätt man mich nicht ins Loch gesteckt. Aber Sie, Fagin, haben doch immer noch einen Rebach dabei gemacht. Was, Fagin? Und was liegt schließlich an den sechs Wochen! Einmal muß doch jeder dran glauben, und warum da nicht am liebsten, wenn es grad Winter ist. Was, Fagin?«
    »Nu natürlich, mei Jung«, antwortete der Jude.
    »Du gingst am liebsten gleich noch mal ins Gefängnis zurück, was, Tom?« fragte der Baldowerer, Charley Batesund Fagin schlau zublinzelnd. »Wenn nur alles mit Betsey schon in Ordnung wär, was?«
    »Gewiß ja, warum auch nicht«, murrte Tom verdrießlich. »So, jetzt wißt ihr’s, und ich hätt auch sofort freikommen können, wenn ich nur ein Wort ausgeplaudert hätt, was, Fagin?« fuhr der halbblödsinnige Bursche immer ärgerlicher werdend fort. »Ein einziges Wort von mir hätt genügt, und ich wär draußen gewesen, was, Fagin?«
    »Natürlich hätt genügt e einziges Wort, mei Jung«, erwiderte der Jude.
    »Aber ich hab geschwiegen, was, Fagin, hab ich nicht geschwiegen?« fragte Tom hitzig.
    »Natürlich, natürlich«, besänftigte ihn Fagin, »e ganzer Mann bist du gewesen.«
    »Nun also«, rief Tom, »was gibt’s da weiter zu lachen?«
    Da Fagin sah, daß Mr. Chitling ganz außer sich vor Aufregung war, beeilte er sich, ihm zu versichern, es falle niemand im entferntesten ein zu lachen, und zum Beweise, wie ehrenhaft die ganze Gesellschaft sei, rief er Master Bates, den Urheber des ganzen Spaßes, selbst zum Zeugen an. Als aber Charley den Mund nur öffnete und gerade beteuern wollte, niemals in seinem ganzen Leben sei er ernsthafter gewesen als gerade jetzt, brach er sofort wieder in ein schallendes Gelächter aus. Wütend stürzte sich Mr. Chitling auf ihn und holte zu einem Schlage aus. Bates aber, geschickt wie er war, duckte sich rechtzeitig, so daß der Schlag den menschenfreundlichen alten Herrn mitten auf die Brust traf. Von der Wucht des Schlages taumelte Fagin bis an die Wand und blieb da ächzend und nach Atem ringend stehen, während Mr. Chitling sprachlos vor Entsetzen ihn anstarrte.
    »Obacht!« rief der Baldowerer in diesem Augenblick. »Die Glocke!« Er griff nach dem Leuchter und schlich leisedie Treppe hinauf. Es läutete zum zweitenmal. Diesmal etwas heftiger, und nach einer kurzen Pause erschien der Baldowerer wieder in dem dunklen Zimmer und flüsterte Fagin ein paar Worte ins Ohr.
    »Was!« schrie der Jude. »Allein?«
    Der Baldowerer nickte, beschattete die Kerze mit der Hand und gab Charley Bates einen heimlichen Wink, es sei jetzt ratsam, jede Ausgelassenheit beiseite zu lassen. Inzwischen nagte der Jude nervös an seinen Nägeln und dachte eine Weile nach. Endlich erhob er den Kopf, und seine Miene verriet, daß

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