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Oliver Twist

Oliver Twist

Titel: Oliver Twist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Dickens
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der Hand haben, – aber machen Sie sich unsertwegen keine Umstände.«
    »Was wünschen die Herren?« fragte der Doktor und folgte Miss Rose zum Buffet.
    »Ein Schnäpschen vielleicht, Sir, wenn es Sie nicht inkommodiert«, versetzte Blathers. »Die Fahrt von London hier heraus war ziemlich kalt, und ich finde immer, die wärmsten Jacken sind doch die Kognak-en.«
    Unterdessen schlüpfte der Doktor aus dem Zimmer.
    »Ich, äh –« begann Mr. Blathers, der sein Glas nicht am Stiele hielt, sondern den Boden zwischen Daumen und Zeigefinger – »ich – äh – habe in meiner Praxis, meine Damen, schon mancherlei feine Arbeit gesehen; ganz von der Art, wie sie hier vorliegt.«
    »Zum Beispiel: der Einbruch in Edmonton. Was Blathers?« fiel Mr. Duff ein.
    »Ja, ja«, stimmte Mr. Blathers bei, »er war dem vorliegenden allerdings sehr ähnlich. Er wurde von einem gewissen Conkey Chickweed gedreht.«
    »Das heißt: das ist Ihre Ansicht«, fiel Duff wieder ein. »Ich sage Ihnen, die Pet-Bande war dabei im Spiel! Conkey hat dabei nicht mehr zu tun gehabt als ich.«
    »Ach was, gehen Sie«, rief Mr. Blathers. »Das weiß ich besser. Wissen Sie noch, wie ich Conkey das Geld abgeknöpft habe?«
    »Famoses Stück. Besser als jeder Kriminalroman.«
    »O wie interessant! Wie ging denn das vor sich?« fragte Miss Rose, scheinbar sehr gespannt, um die unwillkommenen Gäste bei guter Laune zu erhalten.
    »Das war ’ne Gaunerei, Miss, hinter die man nicht so leicht kommen konnte«, erklärte Blathers, »der Conkey Chickweed nämlich –«
    »Conkey, Miss, bedeutet so viel wie Spitzel oder Spion«, schaltete sich Mr. Duff ein.
    »Das weiß doch die Dame selbstverständlich, nicht wahr?« fragte Mr. Blathers. »So unterbrechen Sie einen doch nicht immerwährend, Kollege. – Also: dieser Chickweed, Miss, hielt am Wege eine Spelunke und ein Separatzimmer drin, wo ’ne ganze Menge junge Herren zu verkehren pflegten, um sich Hahnenkämpfe, Rattenjagden und dergleichen anzuschauen, welche Feste dort oft abgehalten wurden, – ich habe sie mir nämlich selbst oft angesehen, und Conkey gehörte damals noch nicht zu einer Chawrusse – Sie wissen doch, daß eine Chawrusse so viel heißt wie ›Gaunerbande‹ –, und eines Nachts wurden ihm 300 Pfund und mehrere Guinees in einem Leinenbeutel mitten in der Nacht aus seiner Schlafstube von einem langen Kerl, der ein schwarzes Pflaster auf dem Auge hatte, gestohlen. Der Bursche hatte sich nämlich unterm Bett versteckt und war nachher mit seinem Raub zum Fenster hinausgesprungen, das nur ein Stockwerk hoch lag. Er war ein flinker Bursche, aber Conkey Chickweed war auch nicht von Pappe; er wachte bei dem Geräusch auf, war mit einem Sprung aus dem Bett, jagte dem Kerl eine Ladung Schrot nach und alarmierte die ganze Nachbarschaft. Das gab eine Mordsjagd, und bald sah man, daß Conkey Chickweed den Gauner angeschossen hatte, denn der ganze Weg bis zum Staket war voller Blutspuren. – Beim Staket hörten siemerkwürdigerweise auf. Mit dem Geld aber war der Kerl auf und davon, und so kam’s, daß Mr. Chickweed, der konzessionierter Gastwirt war, bald auf der Bankerottliste in der Zeitung stand. Da gab’s nun Subskriptionen und Benefizvorstellungen und sonst noch alles mögliche, um den armen Teufel über seinen Verlust hinwegzutrösten, denn er war fast trübsinnig geworden und lief den ganzen Tag in den Straßen auf und ab und riß sich die Haare aus, so daß man fürchtete, er würde Selbstmord begehen. Eines Tages kam er dann ins Polizeiamt gestürzt, hatte dort eine geheime Unterredung mit dem Friedensrichter, der daraufhin Jem Spyers – Sie wissen doch: Jem Spyers war damals Beamter im Dienst – befahl, Mr. Chickweed zu begleiten und ihm zu helfen, den Kerl, der ihn seines Geldes beraubt, zu verhaften. ›Ich habe ihn gestern morgen an meinem Wirtshaus vorüberlaufen sehen, Spyers‹, sagte Chickweed. ›Warum haben Sie ihn denn nicht gleich am Kragen gepackt und hergebracht?‹ fragte Spyers.
    ›Ach Gott, ich war so doll erschrocken‹, sagte der arme Teufel, ›daß mir einer den Hirnkasten mit ’nem Zahnstocher hätte eindrücken können. Aber wir fassen ihn noch, denn heute nacht zwischen zehn und elf ist er wieder vorbeigegangen.‹ Als Spyers dies hörte, steckte er sich ein bißchen reine Wäsche und einen Kamm in die Tasche für den Fall, daß er ein paar Tage ausbleiben müsse, und dann ging er mit Chickweed weg und setzte sich stumm und bereit, den Hut auf dem Kopf, hinters

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