Olivers Versuchung
Gleiche!“
Oliver kam näher. Er kauerte sich vor ihr hin, um auf gleicher Augenhöhe mit ihr zu sein, damit sie sich nicht länger ihren Hals verrenken musste. Die Geste war freundlich und sie fragte sich, warum er dies tat.
„Wir sind zivilisiert. Wir sind alle Mitglieder der gleichen Gruppe. Wir arbeiten für eine Firma namens Scanguards. Die meisten von uns sind Leibwächter oder Sicherheitspersonal, und wir haben geschworen, die Menschen zu beschützen. Selbst gegen unsere eigene Spezies.“
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Es war unmöglich. Nein, sie musste Halluzinationen haben, wenn sie so etwas Unglaubliches hörte. „Nein, das kann nicht sein.“
„Es ist wahr“, pflichtete Blake ihm bei. „Obwohl einige hier Schwierigkeiten haben, ihre Blutgier unter Kontrolle zu halten –“ Er warf Oliver einen bedeutungsvollen Blick zu. „– leben die Leute von Scanguards nach einem strengen Ehrenkodex. Glaube mir, wenn dies nicht der Fall wäre, würde ich heute nicht mehr leben, geschweige denn mit ihnen leben, ohne Angst um mein Leben zu haben.“
Sie verlagerte ihren Blick zurück zu Oliver. „Heißt das, ihr beißt keine Menschen?“
Schuld blitzte in seinen Augen auf. Er senkte seine Lider, um ihrem Blick auszuweichen. „Die meisten von uns trinken Blut aus der Flasche. Gespendetes Blut. Wir kaufen es durch ein medizinisches Versorgungsunternehmen.“
Sein sorgfältiger Satzbau war ihr nicht entgangen. „Die meisten von euch?“
Seine Augenlider schwangen nach oben und seine langen, dunklen Wimpern berührten fast seine Augenbrauen. Das intensive Blau seiner Augen hypnotisierte sie, genauso wie in dem Moment, als sie ihm auf der dunklen Straße begegnet war.
„Nicht alle. Einige von uns versuchen immer noch . . . sich anzupassen. Aber es ist nicht leicht. Die Versuchung ist allgegenwärtig.“
Sie bemerkte, wie sein Blick zu ihrem Hals wanderte, und spürte ein Kribbeln durch ihren Körper laufen. Angst lähmte ihre Stimmbänder und machte sie unfähig zu sprechen. Gleichzeitig war sie jedoch nicht in der Lage, ihre Augen von ihm loszureißen.
Angst und Lust kollidierten in ihr, als er sich näherte und sie dadurch an seinen Kuss erinnerte. Er war so warm und so zärtlich gewesen. Und jetzt wusste sie auch, wie tödlich sein Kuss sein konnte. Er hätte sie beißen und die Sache beenden können, die der andere Vampir begonnen hatte. Trotzdem konnte sie sich nicht bewegen und nur wie gelähmt zusehen, wie er immer näher kam.
„Oliver!“ Cains scharfe Stimme ließ Oliver ruckartig zurückschrecken und auf seine Füße springen.
Oliver kämmte sich mit der Hand durchs Haar. „Tut mir leid. Wie ich schon sagte, wir werden dir nicht wehtun.“
Ursula nickte, als ob sie auf Autopilot wäre, während ihr Gehirn versuchte zu verarbeiten, was diese Geschehnisse für ihre unmittelbare Zukunft bedeuteten. War sie wirklich in Sicherheit? Es war zu schön, um wahr zu sein, und wenn etwas zu gut war, um wahr zu sein, dann war es nicht wahr. Jeder, der schon einmal Werbung für eine Wunderdiätpille gesehen hatte, wusste das.
„Diese Firma, die du erwähnt hast, Scanguards, was macht die?“ War dies nur eine Scheinfirma, um die Aktivitäten des Bluthandels zu verstecken, während sie die gleichen schrecklichen Dinge taten, die ihre Entführer ihr und den anderen Mädchen angetan hatten?
“Scanguards ist ein Sicherheitsunternehmen. Wir beschützen Menschen: Würdenträger, Politiker oder Prominente. Jeden, der sich unsere Dienste leisten kann. Für uns arbeiten sowohl Menschen als auch Vampire. Menschen übernehmen die Aufträge, die tagsüber ausgeführt werden müssen, aber der Rest von uns arbeitet nachts. Die Aufträge der Vampire sind auch generell gefährlicher. Aber wir sind dafür ausgebildet.“
Ursula konnte nicht umhin, den Stolz in Olivers Stimme zu hören, als er sprach. Genauso wenig entging ihr der Glanz der Aufregung, der jetzt in seinen Augen funkelte. Doch seine Worte klangen so fremd, dass sie sie unmöglich glauben konnte. „Vampire, die Menschen beschützen?“
Oliver lächelte. „Wir sind die Guten.“
Sie musste ihren Kopf schütteln. Es gab keine Guten .
Neben Oliver grinste Blake ihr zu. „Das sind sie aber. Als ich von einer Bande hinterhältiger Vampire entführt wurde, kam mir Scanguards zu Hilfe und rettete mich. Sie riskierten ihr Leben für mich.“
Oliver warf ihm einen schelmischen Seitenblick zu. „Aber nur, weil du Quinns Enkel bist. Hätte ich
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