Olivers Versuchung
Seine Augen waren jetzt rot und seine Fangzähne ausgefahren. Messerscharfe Klauen krönten seine Fingerspitzen. Sein Mund stand offen, und seine Lippen sahen rot und prall aus. Und immer noch einladend.
Oh Gott, nein! Ihr drehte sich der Magen um, als sie sich an den Kuss erinnerte, den sie ausgetauscht hatten. Sie hatte ein Monster geküsst, die Kreatur, die sie auf dieser Welt am meisten hasste. Und sie hatte es gemocht, selbst jetzt konnte sie das nicht leugnen. Ihr Körper war vor Verlangen fast verbrannt, und sie konnte nur hoffen, dass dies eine Nachwirkung der Fütterung war, der sie kurze Zeit vorher ausgesetzt gewesen war. Sie würde doch niemals einen Vampir begehren!
Vor ihren Augen verschwand das Rot in Olivers Augen. Die Spitzen seiner Reißzähne zogen sich zurück und verschwanden in seinem Mund. Auch seine Krallen verschwanden, als ob sie sich alles nur eingebildet hätte.
„Ihr seid Vampire“, wiederholte sie mit monotoner Stimme.
Oliver schüttelte sowohl Dr. Giles’ Hände als auch die des dunkelhaarigen Vampirs von sich ab, die ihn immer noch festhielten. Dr. Giles? Wahrscheinlich war sie nicht einmal eine Ärztin.
„Es tut mir leid, dass du das sehen musstest.“ Er machte einen vorsichtigen Schritt in ihre Richtung.
Sie schreckte zurück. Sofort hielt er inne. Seine Augen blickten sie voll Reue an. Reue? Nein, das interpretierte sie sicherlich falsch. Sie war noch nie einem Vampir begegnet, der eines solchen Gefühls fähig war. Deren Gefühle beschränkten sich auf Gier, Hass und Lust.
„Ich werde dir nicht wehtun.“
Sie hörte Olivers Worte und kämpfte gegen den Drang an, hysterisch zu lachen. Natürlich würde er ihr wehtun, genauso wie die anderen Vampire es getan hatten. Warum machte er ihr also etwas vor? Warum log er? Warum quälte er sie? Vielleicht war er noch grausamer als Dirk. Grausamer, weil er in einer Verpackung kam, die sie fast dazu gebracht hätte, ihm zu vertrauen. Fast hatte sie sich mit ihm sicher gefühlt. Nur damit er sogleich all ihre Hoffnungen wieder zunichtemachen konnte.
Die Tränen, die sie versucht hatte zurückzuhalten, strömten jetzt aus ihren Augen und bahnten sich einen Weg über ihre Wangen, wo sie heiß brannten. Sie wagte es nicht, einen Atemzug zu nehmen.
„Bitte weine nicht!“
Olivers Stimme klang beruhigend, und wenn sie ihre Augen schloss, konnte sie sich vorstellen, sich ihm hinzugeben. Vielleicht war es an der Zeit, den Kampf aufzugeben und ihr Schicksal zu akzeptieren. Sie würde immer eine Blut-Hure für sie sein. Sie würden sie niemals gehen lassen.
Sie würde nie ihre Eltern wiedersehen. Und sie wäre nicht in der Lage, Hilfe für die anderen Mädchen zu holen. Mit ihrem nächsten Atemzug entriss sich ein Schluchzen ihrer Brust.
„Ich will nach Hause gehen.“
Ihre Knie gaben nach, während alles vor ihren Augen verschwamm. Sie sah, wie sie sich alle auf einmal bewegten und auf sie zukamen. Würden sie sie heute Nacht aussaugen? Würde dies schließlich ihr Ende sein?
„Ich habe sie“, sagte Oliver zu seinen Freunden, seine Stimme scharf und unnachgiebig.
Gleichzeitig spürte sie, wie er sie in seine Arme hob und zurück ins Wohnzimmer trug. Die Sanftheit, mit der er sie auf die Couch legte, überraschte sie, aber vielleicht war sie im Delirium. Als sie saß, legte er die Decke über ihre Beine und trat zurück.
„Du bist hier in Sicherheit“, behauptete er.
Die anderen drei hatten das Zimmer hinter ihm betreten und standen in der Nähe.
„Wer ist sie?“, fragte einer der Männer.
Die Ärztin wandte sich ihm zu. „Oliver hat sie hierher gebracht.“
Er ging an der Ärztin vorbei und streckte seine Hand nach ihr aus, während er ihr ein charmantes Lächeln schenkte. „Ich heiße Blake.“
Ursula starrte auf seine Hand und drückte sich tiefer in die Sofakissen zurück.
„Sie hat Angst, kannst du das nicht sehen?“, ermahnte Oliver ihn und schob ihn beiseite.
„Sie hat wahrscheinlich vor dir Angst!“, konterte Blake.
“Halte dich da raus!“
„Ich wohne auch hier, also habe ich ein Recht zu wissen, was hier vor sich geht.“
Oliver funkelte ihn an, dann blickte er zu ihr zurück. „Ich sollte dir vielleicht ein paar Dinge erklären, da du gesehen hast, was wir sind.“ Er räusperte sich. „Maya hast du ja schon kennengelernt. Sie ist Ärztin, aber sie ist auch ein Vampir. Und dies hier –“ Er wies auf den dunkelhaarigen Vampir, der bisher noch nicht gesprochen hatte. „– ist Cain. Er
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