Olivers Versuchung
sehen.“ Zumindest bedeutete das, dass Scanguards nun mit Volldampf versuchen würde, herauszufinden, wohin das Blut-Bordell verlegt worden war. Angesichts dieser Information fühlte er sich etwas besser. Aber im Moment war das nicht seine oberste Priorität. Ursulas Aufenthaltsort zu finden war seine oberste Priorität. „Hast du Thomas gesehen?“
Jay deutete mit dem Daumen über seine Schulter. „Wahrscheinlich in seinem Büro.“
„Danke!“
Oliver marschierte den Flur hinunter. Er blieb vor Thomas’ Büro stehen und klopfte kurz.
„Herein“, hörte er Thomas’ Stimme aus dem Inneren.
Er drückte den Türgriff nach unten, öffnete die Tür und trat schnell ein. Thomas blickte von seinem Computer hoch.
„Aha, ich habe mir schon gedacht, dass du früher oder später auftauchen wirst.“
„Wo ist sie?“
Thomas äußerte ein missbilligendes TsTs . „Wie, kein Austausch von Nettigkeiten? Du bist aber unhöflich geworden, seit du verwandelt worden bist.“
Oliver kniff die Augen zusammen und starrte Thomas an. „Tja, wir können ja nicht alle so nett sein wie Eddie, oder?“
Thomas’ Ausdruck verwandelte sich in Unmut. „Das ist unangebracht. Du glaubst also du kannst mich verärgern und dann erzähle ich dir, wo Ursula ist. Da bist du aber ein schlechterer Stratege, als ich dachte.“
Oliver legte seine Hände auf den Tisch und beugte sich darüber. „Wo versteckst du sie? Hier im Gebäude? In einer der Zellen?“ Der Gedanke sandte einen Schauer über seinen Rücken. Zu wissen, dass Ursula irgendwo eingesperrt war, machte ihn wütend. Er spürte, wie sein Zahnfleisch juckte und seine Fänge sich ausfahren wollten.
„Wie dumm, glaubst du, sind wir? Denkst du, wir würden sie direkt vor deiner Nase verstecken, wo du einfach mit deiner Zutrittskarte hineinwalzen und sie herausholen kannst?“
„Ist das der Grund, warum Zane noch nicht zurück ist? Weil er sie irgendwo anders versteckt?“
Thomas verzog keine Miene. Er war zu erfahren, um etwas zu verraten, aber Oliver wusste trotzdem, was vor sich ging. Zane war derjenige, der Ursula weggebracht hatte.
„Welchen Unterschied macht das schon? Alles, was wichtig ist, ist, dass du in Sicherheit bist.“
Oliver stieß ein bitteres Lachen aus. „In Sicherheit? Wovor? Ihrem Blut? Verstehst du es immer noch nicht? Ich werde sie nicht beißen. Das habe ich ihr versprochen. Glaubst du, ich würde genau dasselbe machen, was diese Arschlöcher ihr angetan haben? Sie ihres Blutes wegen benutzen?“
Was nicht bedeutete, dass er ihren Körper nicht wollte: unter ihm, in Ekstase keuchend.
„Das sagst du jetzt, aber warte, bis die Versuchung zu groß wird.“ Thomas erhob sich. „Wenn’s dir nichts ausmacht, ich muss zu einer Sitzung. Und du würdest gut daran tun, auch daran teilzunehmen. Schließlich war es anfangs dein Fall. Und wenn du uns die Wahrheit über Ursula gesagt hättest, wäre es immer noch dein Fall. Sag mal, Oliver, wem gegenüber bist du eigentlich loyal? Uns oder ihr gegenüber?“
Dann drückte Thomas ein paar Tasten auf seiner Tastatur, vermutlich um den Bildschirm seines Computers zu sperren, und verließ sein Büro, ohne auf eine Antwort zu warten.
Oliver ließ seinen Kopf hängen und betrachtete seine Schuhe, während er über Thomas’ Worte nachdachte. Scanguards war sein Leben und seine Familie. Aber in den letzten paar Stunden hatte er praktisch mit jedem Mitglied seiner Großfamilie gestritten und ihnen mehr oder weniger gesagt, dass er sie hasste. Alles wegen einer Frau. Er hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde. Er hätte nie geglaubt, dass eine Frau zwischen ihn und Scanguards treten könnte.
Da er wusste, dass er etwas unternehmen musste, verließ er Thomas’ Büro und ging den Flur entlang. Er bemerkte, wie sich die Tür zum Notausgang öffnete, und blieb wie angewurzelt stehen. Eine Sekunde später schlich sich Blake auf die Chefetage.
Oliver blickte sich rasch um. Er wollte sichergehen, dass niemand seinen Halbbruder gesehen hatte, und eilte auf ihn zu. Blake erschrak, als er Oliver auf sich zukommen sah, fing sich aber schnell wieder.
„Bist du verrückt?“, raunte ihm Oliver zu, als er ihn in eine Nische zog, die einen Kühlschrank und ein paar Regale beherbergte. „Du hast hier oben nichts zu suchen.“
„Ich will doch nur helfen“, rechtfertigte Blake sein Handeln.
Oliver fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Kannst du aber nicht. Dieser Fall ist nur für Vampire.“
„Verdammt
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