Olivia und der australische Millionär
Bermudas, einem grasgrünen Tank-Top und einer Unmenge roter Locken auf dem Kopf, die bei jedem Schritt lustig wippten, entgegengeeilt.
„Sie müssen Olivia sein!“, stellte sie mit sonnigem Lächeln fest, als würde sie einen lang erwarteten Gast begrüßen. „Kommen Sie doch herein … oder darf ich Du sagen?“, fragte sie im gleichen Atemzug. „Wir sind hier draußen nicht so förmlich.“
Das alles sagte sie ausgesprochen herzlich, und nicht in diesem höflichen, unverbindlichen Ton, den Olivia so gut kannte. Und den sie selbst bei solchen Gelegenheiten in der Vergangenheit stets benutzt hatte, wie sie sich jetzt schuldbewusst eingestand.
„Ich habe eine schöne Tasse Tee für dich und dazu ein Stück Rosinenkuchen. Ganz frisch aus dem Ofen.“
Der Tee war genau so, wie Olivia ihn mochte, und der Kuchen mit der knusprigen Walnusskruste schmeckte einfach köstlich. Dazu kam das reizende, offene Wesen von Heather Finlay – ein typisch schottischer Name. Olivia war schon halb versöhnt mit ihrem Schicksal. Sie saßen in einem kleinen Wohnzimmer, dessen heller Stilmix zusammen mit rustikalen Stoffen in kunterbunten Farben einen frischen, ländlichen Charme versprühte.
Aus der Nähe betrachtet wirkte Heather älter, als Olivia sie zuerst geschätzt hatte. Vermutlich Anfang vierzig, mit einer grazilen, sportlichen Figur, jeder Menge Sommersprossen auf der Nase und fröhlichen grünen Augen.
„Und du bist hier, um Urlaub zu machen?“, fragte sie neugierig und schaute ihren Gast aus dem fernen Europa an, als wäre Olivia eine Art blonde Fee aus einem alten Märchen.
Spontan beschloss Olivia, ihr die Wahrheit zu sagen. „Ich bin hier, um Mr McAlpine auszuhelfen, wo immer er mich gebrauchen kann, Heather. Es ist eine Art … geschäftliches Arrangement. Mein Vater ist Hauptaktionär der McAlpine Pastoral Company. Ich möchte so viel wie möglich über die Firmeninterna lernen und mich nebenbei natürlich nützlich machen.“
Zu Olivias Erstaunen erhellte sich Heathers Gesicht, als hätte jemand eine Lampe angeknipst. Ihr Lächeln konnte man eindeutig triumphierend nennen.
„Du bist die absolut perfekte Hilfe für ihn, was seine gesellschaftlichen Verpflichtungen betrifft!“, freute sie sich. „Ich bin sicher, dass Clint genau meiner Meinung ist und dich deshalb engagiert hat. Kennst du eigentlich Marigole, seine Exfrau?“
„Nein …“
Langsam setzte Olivia ihre hübsche Teetasse ab. Royal Doulton’s Regalia . Heather hatte offensichtlich extra für sie ihr bestes Service hervorgeholt. Wie nett von ihr.
„So gut kenne ich McAlpine noch gar nicht. Wir sind uns einige Male in London und anlässlich einer Hochzeit in Schottland begegnet. Es besteht eine sehr weitläufige Verbindung zwischen unseren Familien. Aber seine Frau … oder Exfrau … habe ich nie kennengelernt. Offenbar hat sie ihn nicht auf seinen Reisen nach Europa begleitet.“
„Soweit ich weiß, ist ihm die Scheidung vor zwei Jahren auch ziemlich nahegegangen.“ Sie schenkte ihnen beiden eine zweite Tasse Tee ein. „ Balfour und McAlpine … zwei gute, alte schottische Namen. Heißt Balfour nicht Weideland?“
„Woher weißt du das alles?“, fragte Olivia überrascht.
Heather schüttelte demonstrativ ihren Rotschopf und lachte. „Wie wohl nicht zu übersehen ist, stammen meine Vorfahren auch aus Schottland. Genau wie die von Wes. Kann ich denn davon ausgehen, dass deine Familie Weideland besitzt?“, fragte sie augenzwinkernd.
„Nichts, was sich mit diesen Dimensionen vergleichen lässt!“, erklärte Olivia aus vollem Herzen. „Ehrlich gesagt, war ich auf das hier völlig unvorbereitet.“
„Das hört sich ja fast nach Panik an.“
Olivia lächelte etwas verkrampft. „Ich würde es gern leugnen, aber dann müsste ich lügen. Diese … unendliche Weite und Einsamkeit, das Fehlen von menschlichen Ansiedlungen … Kultur und Citylights … Die Natur hier ist einfach … überwältigend.“
„Das ist sie“, pflichtete Heather ihr gelassen bei.
„Fühlst du dich nicht manchmal schrecklich allein?“, fragte Olivia spontan.
„Absolut! Besonders, seit unsere Söhne auf dem Internat sind. Und das ist schon eine ganze Weile. Die beiden sind jetzt zwölf. Zwillinge …“ Ein stolzes, mütterliches Lächeln machte ihr Gesicht ganz weich. „Im Juni haben sie Ferien, die sie natürlich zu Hause verbringen. Aber wenn Wes auf einem langen Rindertrieb ist oder es mir sonst irgendwann reicht, unternehme ich einfach einen
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