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Oliviane – Der Saphir der Göttin

Oliviane – Der Saphir der Göttin

Titel: Oliviane – Der Saphir der Göttin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cordonnier
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war, und es gelang ihr, das Kabinett zu verlassen, ohne den Mann am Kamin anzusehen. Trotzdem war sie sich seiner Gegenwart überdeutlich bewusst. Weshalb hatte er diesem Gespräch beigewohnt, wo er doch keine Silbe gesagt hatte? War er etwa der Ritter, den der Herzog erwähnt hatte? Der Schreck fuhr ihr in alle Glieder.

20. Kapitel
    »Der Page sagt, Ihr wollt nicht zu Tisch kommen. Weshalb? Seid Ihr krank?«
    Oliviane fuhr mit einem leisen Aufschrei von ihrem Fenstersitz hoch. Sie hatte dort gesessen, tief in Gedanken versunken. Obwohl sie im Schein des Feuers gegrübelt hatte, erkannte sie den Umriss der hohen Gestalt auf Anhieb. Und die Anspannung, unter der Hervé de Sainte Croix stand, schien sogleich auf sie überzugehen.
    »Ihr?« Sie wich zurück.
    »Der Herzog hat mich gebeten, nach Euch zu sehen, weil Ihr nicht zu Tisch gekommen seid. Gebt Ihr Euren Launen immer ohne jegliche Beherrschung nach? Ist Euch nicht bewusst, dass Jean de Montfort sich um Euch sorgt? Denkt Ihr nicht, dass er seine Zeit sinnvoller verwenden könnte, als über die Grillen einer verwöhnten Demoiselle nachzudenken?«
    Die beherrschte Stimme, die ihr in höfischem, kühlem Französisch höchst unberechtigte Vorwürfe machte, ließ Oliviane für einen Moment die quälende Selbstverachtung vergessen. Dieser Mann hatte kein Recht, sich in ihr Leben zu mischen. Kein Recht, ihr eine peinigende Ähnlichkeit vorzugaukeln, die ihr Herz aussetzen ließ, und sie gleichzeitig seine Verachtung so deutlich spüren zu lassen.
    »Denkt Ihr, Ihr habt Euch mit dem Stern von Armor das Recht erkauft, Eurem Herzog auf der Nase herumzutanzen?«, fuhr er fort.
    »Nein«, räumte sie in bitterem Spott ein. »Ich bin mir völlig im Klaren darüber, dass ich nicht das kleinste Recht besitze. Nicht einmal jenes, selbst darüber zu bestimmen, ob ich heiraten oder Kinder in die Welt setzen möchte. Ich bin eine Frau und demzufolge das minderwertigste Wesen auf Gottes Erdboden. Unfähig, den eigenen Kopf zu gebrauchen. Unfähig, eigene Entscheidungen zu treffen, und nur dazu da, dem Manne zu gehorchen! Denn Männer wie Ihr sind schließlich die Krone der Schöpfung!«
    Die Worte sprudelten wie ein Sturzbach aus ihrem Mund, und als sie einmal zu reden begonnen hatte, konnte sie nicht so schnell wieder aufhören. Die Widersprüche ihres ganzen Daseins drängten vehement über ihre Zunge. Mutter Elissa hätte ihr vermutlich laut Beifall geklatscht. Aber Oliviane hatte sich für diese Debatte einen Gegner gesucht, der sich nicht so einfach mundtot machen ließ.
    »Redet keinen Unsinn, das hat niemand behauptet!«, brummte er knapp und reizte sie damit nur zu einem neuerlichen Ausbruch.
    »Ach nein? Haben nicht schon die weisen Kirchenväter festgestellt, dass die weibliche Natur besonders angeleitet werden muss, weil sie schwach und sündig ist? Haben sie damit etwa nicht allen Männern dieser Welt den Freischein geliefert, über die Köpfe der Frauen hinweg ihr Leben zu dirigieren? Sie wie dumme Schafe zu verkaufen, zu gebrauchen und am Ende zu schlachten, wenn sie zu nichts mehr nütze sind? O nein, widersprecht nicht! Ich weiß, dass Ihr Euren Herrn verteidigen wollt, aber ich möchte wetten, dass auch er nicht ausschließlich an seinem Heiligenschein poliert.«
    »Zum Teufel!«, staunte der Seigneur de Sainte Croix und warf ihr einen verblüfften Blick zu. »Ihr werdet zur reinsten Furie, wenn man es wagt, Euch zu widersprechen!«
    Oliviane reagierte höchst empfindlich auf seinen sarkastischen Ton. »Warum geht Ihr nicht endlich und amüsiert Euch mit Euresgleichen?«
    Sie ahnte nicht, dass das Feuer die Umrisse ihrer Gestalt golden umschien und dass in ihrer Stimme die Tränen bebten, die sie mit aller Gewalt unterdrückte. Sie mochte ihre Fehler haben, stellte der Seigneur fest, aber sie besaß nicht die Spur von Koketterie. Sie kam gar nicht auf den Gedanken, dass sie ein Bild bot, welches das Herz des härtesten Mannes rühren musste.
    »Wie ihr seht, bin ich ohnehin der Hausdrachen, der jeden ehrbaren und friedfertigen Mann in den Wahnsinn treiben würde«, fügte sie resigniert hinzu. »Warum geht Ihr nicht und berichtet Eurem Herrn davon?«
    »Ich beabsichtige nicht, den Pagen für Euch zu spielen. Ich bin gekommen, um Euch an die Tafel zu holen, und ich muss gestehen, ich habe Hunger!«
    »Ich habe keinen Appetit!«, beharrte Oliviane und begriff im selben Moment, wie kindisch ihre Auseinandersetzung mit diesem Mann war. Sie lastete ihm Dinge an, die er

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