Oliviane – Der Saphir der Göttin
forderte, ließ ihn noch großzügiger auftreten.
Ein höfliches Klopfen an der Tür unterbrach das Geplauder der beiden Frauen, und Oliviane sah auf, als sich die halbrunde Pforte öffnete. Der Anblick des Seigneurs de Sainte Croix ließ sie von ihrem Taburett hochfahren. Sie bemerkte nicht, dass sie die Hand auf ihr wild pochendes Herz gepresst hatte.
»Gott zum Gruße, edle Damen«, sagte er knapp und richtete sein Augenmerk mit solcher Intensität auf Oliviane, dass Dame Magali erstaunt die Brauen hob.
Sicher, Oliviane war schön. Sie trug jenen eleganten Staat, den Magali de Silvestre auf Anweisung des Herzogs bei Tuchhändlern und Schneiderinnen für sie in Auftrag gegeben hatte, aber dennoch – diese Ausschließlichkeit in den Augen des Seigneurs gab ihr zu denken. Er konnte unter den Schönsten des Landes wählen. War es möglich, dass er seine Entscheidung längst getroffen hatte?
»Seigneur! Ihr wünscht?«, entgegnete Oliviane so kalt, als wäre ihr die Bewunderung in seinem Blick völlig entgangen.
»Eine Auskunft darüber, wie Ihr zu reisen wünscht«, erwiderte er nicht minder frostig. »Wenn Ihr einen Wagen wünscht, wird das die Reise verzögern. Seid Ihr fähig zu reiten?«
Oliviane schwieg. Der Schwarze Landry hatte sich nicht mit derlei Höflichkeiten aufgehalten, als er sie nach St. Cado gebracht hatte. Und doch, sie hätte etwas darum gegeben, das Rad der Zeit zurückdrehen zu können.
»Ich bin eine Rospordon«, erklärte sie ihm anmaßend. »Selbstverständlich bin ich fähig zu reiten!« Im Geheimen dachte sie an den kräftigen Braunen, den sie Landry gestohlen hatte. Wer ihn wohl jetzt ritt?
Dame Magali schnappte indessen nach Luft. In diesem blasierten Ton hatte sie Oliviane noch nie sprechen hören. Es schien ihr im Blut zu liegen, die große Dame zu spielen; sie konnte offenbar mühelos auf eine Fülle an Überheblichkeit zurückgreifen.
»Umso besser.« Den Edelmann brachte das kleine Scharmützel nicht weiter aus der Ruhe. Er verneigte sich in untadeliger Eleganz. »Dann sehen wir uns morgen nach der Frühmesse! Gehabt Euch wohl!«
»Morgen nach der Frühmesse?«, wiederholte Oliviane atemlos und warf ihrer Besucherin einen fassungslosen Blick zu. »So schnell schon? Was habt Ihr damit zu schaffen?«
Es war Dame Magali, die ihr antwortete, und nicht der Seigneur, der sich so überstürzt verabschiedet hatte, dass er vermutlich ihre Frage gar nicht mehr vernommen hatte.
»Nun, was wohl?« Die Amme strahlte über das ganze Gesicht. Soeben hatte sie die Bestätigung dafür erhalten, dass Jean de Montfort noch immer der Fürst war, für den sie ihn hielt. »Er ist der Ritter, der Eure Männer befehligt, und er ist der Mann, den der Herzog zu Eurem Gatten bestimmt hat. Daran kann es keinen Zweifel geben! Weshalb sonst sollte er mit Euch nach Vannes reiten? Meinen Glückwunsch, Kind, ist das nicht wunderbar?«
»Nein!«, rief Oliviane entsetzt und sank in plötzlicher Schwäche wieder auf das Polster. »Das darf nicht sein!«
»Heilige Mutter Gottes!« Dame Magali schlug die Hände zusammen. »Manchmal fällt es mir schwer zu begreifen, was in Eurem Kopf vorgeht, Kind! Hervé de Sainte Croix ist eine der besten Partien im ganzen Land, ein Edelmann ohne jeden Tadel. Einen besseren Gatten könnt Ihr nicht finden. Wollt Ihr das in Abrede stellen?«
»Nein.« Oliviane ließ die Hände wieder sinken, die sie vor ihr Gesicht geschlagen hatte. »Aber ich kann trotzdem nicht seine Frau werden! Niemals! Das ist schlicht unmöglich!«
»Aber weshalb? Gefällt er Euch nicht? Das könnt Ihr mir nicht erzählen!«
Oliviane lachte bitter auf. Im Grunde hatte sie die ganze Zeit gefürchtet, dass es genau darauf hinauslaufen würde. Weshalb sonst hatte der Herzog den Chevalier de Sainte Croix gebeten, bei ihren Gesprächen dabeizusein?
»Wollt Ihr mir nicht antworten?«, beharrte Dame Magali auf ihrer Frage. »Heraus mit der Sprache! Was habt Ihr gegen diesen ehrenwerten jungen Mann als Gemahl einzuwenden?«
»Er würde mir sehr wohl gefallen, wenn ich noch jene Oliviane de Rospordon wäre, die aus Sainte Anne geflohen ist«, gab sie müde zur Antwort. »Er ist genau so, wie Ihr sagt, aber gerade deshalb kann ich nicht seine Gemahlin werden. Es wäre schlimmster Verrat!«
»Verrat?«
Oliviane antwortete ihrer Wohltäterin nicht. In ihr tobten die widerstreitendsten Empfindungen. Aber am schlimmsten war die schreckliche Einsicht, dass es da tatsächlich ganz tief in ihrem Herzen atemlose
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