Oliviane – Der Saphir der Göttin
entgegnete Sainte Croix scharf, der selbst unter dieser Tatsache am meisten litt. Wie oft hatte er sich den Kopf über die Gründe zermartert, die es verhindert hatten, dass er der Äbtissin von Sainte Anne eine Warnung zukommen ließ! »Dass ich meinem Herrn als Kundschafter gedient habe, gibt Euch dennoch nicht das Recht, mir die Schuld an den Morden in die Schuhe zu schieben, die der vermeintliche Herzog von St. Cado begangen hat!«
Er sah, wie Olivianes tödlich blasses Gesicht plötzlich errötete. Er gab sie abrupt frei. Sie schwankte, war aber wieder imstande, sich auf ihren Beinen zu halten.
»Ihr wart sein Hauptmann! Seine rechte Hand! Ihr hättet es verhindern können!«, warf sie ihm vor.
»Wenn ich in Auray dabeigewesen wäre, sicher!«, stimmte der Chevalier zu und nickte. »Aber nicht einmal ein Mann wie Paskal Cocherel lässt seine Burg ohne Bewachung zurück, wenn er in die Schlacht zieht. Ich befand mich in der Festung von Cado, als Euer Kloster überfallen wurde.«
Oliviane presste die Handflächen gegeneinander und kämpfte heftig atmend um Fassung. Die jähe Freude darüber, dass sie sein Leben nicht ausgelöscht hatte, erstickte unter seinen verletzend sachlichen Erklärungen. Deswegen also hatte sie der Herzog nicht als Mörderin zur Rechenschaft gezogen! Oh, wie mussten sie sich amüsiert haben, diese beiden Männer, weil sie den noblen Edelmann nicht einmal erkannte, den sie vermeintlich ins Jenseits befördert hatte!
»Euren Bart habt Ihr also abrasiert. Aber warum diese Komödie in Rennes? Warum habt Ihr Euch nicht zu erkennen gegeben?«
»Aus Neugier«, antwortete er knapp.
Natürlich, das konnte sie nachvollziehen! Er musste förmlich nach Rache gedürstet haben.
»Zweifellos habt Ihr euch gut unterhalten bei diesem geschmacklosen Scherz auf meine Kosten!«
»Ich würde sagen, wir sind quitt. Sicher hat Euch der Hieb mit dem Holzscheit ebenfalls ein gehöriges Maß an Genugtuung verschafft.«
»Ich dachte damals, es sei die einzige Möglichkeit, mich von Euch zu befreien ...«
»In der Tat, darin habt Ihr Euch nicht getäuscht. Es ist eine äußerst wirksame Methode, einem Manne klarzumachen, dass er sich zum Narren gemacht hat.«
Oliviane wandte sich ab. Sie konnte ihn nicht ansehen. Nicht, wenn sie an die abgrundtiefe Verzweiflung dieses Augenblickes dachte, als sie sich zwischen Ehre und Liebe falsch entschieden hatte.
»Was hattet Ihr vor?«, murmelte sie tonlos. »Wolltet Ihr mich in dieser Jagdhütte gefangenhalten, bis ich Euch den Stern von Armor ausgeliefert hätte?«
Hervé de Sainte Croix dachte nicht daran, diese Frage zu beantworten. Er würde sich nicht noch lächerlicher machen, indem er von der blinden Leidenschaft eines irregeleiteten Mannes faselte. Statt dessen wollte er etwas anderes wissen.
»Nun, da alles zwischen uns geklärt ist ... Wollt Ihr mir nicht sagen, wo Ihr den Stern von Armor versteckt hattet? Es würde mich interessieren ...«
»Im Salbengefäß meiner Mutter!«
»Mein Kompliment, nur Ihr konntet kaltblütig und geistesgegenwärtig genug sein, einen solchen Ort dafür zu wählen.«
Kaltblütig und geistesgegenwärtig? War es das, was er über die einsame Frau dachte, die sich seinen Liebkosungen ergeben hatte? Die er in der kleinen Jagdhütte mit solcher Leidenschaft umfangen hatte? Hatte er sich je die Mühe gemacht, überhaupt über sie, Oliviane de Rospordon, nachzudenken? Olivianes Körper schmerzte vor Kummer. Sie wusste nicht, wie lange sie diesem Mann noch standhalten konnte.
»Und wie außerordentlich schlau von Euch, Jean de Montfort dieses Juwel quasi zu schenken! Mein Respekt gilt euren raffinierten Winkelzügen, kleine Dame!«
»Raffiniert?« Oliviane wusste nicht, was an ihrer Erkenntnis, dass sie kein Recht auf den Stern von Armor hatte, raffiniert gewesen sein sollte.
»Spielt nicht die Unschuldige!«, höhnte er. »Ihr habt erreicht, dass unser Herzog Euch lebenslang verpflichtet ist. Wie kann er sich je von einer Schuld freikaufen, die nie beziffert wurde?«
Oliviane ertrug es nicht länger. Sie sah ihn stumm an. Das Gesicht des Schwarzen Landry, halb hinter Bart und Haaren verborgen, hatte sie ungeheuer fasziniert. Er hatte auf sie die Anziehungskraft eines wilden Abenteurers ausgeübt. Jetzt waren es die einprägsamen, edlen Züge eines Seigneurs, doch sein finsterer Blick enthielt nichts als Verachtung.
»Da es keine Schlechtigkeit mehr gibt, die Ihr mir nicht zutraut, sind die Fronten zwischen uns geklärt«,
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