Oliviane – Der Saphir der Göttin
Freude gab. War sie tatsächlich so tief gesunken, dass sie jetzt auch noch die einzige Liebe verriet, die sie jemals erlebt hatte?
Ein imposanter Zug mit drei Dutzend schwerbewaffneten Kriegern, fünf Rittern und einem halben Dutzend englischer Bogenschützen formierte sich im Vorhof der Burg von Rennes. Schwerbeladene Packpferde trotteten hinter Karren mit Hausrat und Möbeln, Vorräten und sorgsam versteckten Waffen her. Das Ganze glich jedoch mehr einem Feldzug als einer Reisegruppe, und es verriet den Eingeweihten ohne Worte, dass Jean de Montfort im Gegensatz zu vielen anderen dem zarten Frieden noch misstraute, der zur Zeit in der Bretagne herrschte.
»Geht mit Gott, Dame Oliviane!« sagte der Herzog in diesem Moment. Oliviane hatte sich zum Abschied demütig vor ihm verneigt.
Oliviane wusste, dass sie etwas antworten sollte, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Zudem hatte sie bereits alles gesagt. Ihre Bitten waren auf taube Ohren gestoßen, und jetzt war sie nicht viel mehr als eine Befehlsempfängerin. Eine Frau, die zu gehorchen hatte.
Die rebellischen Gedanken ließen goldene Lichter in ihren sanften Augen aufblitzen, und Jean de Montfort bemerkte, wie es in den Winkeln des bezaubernden Mundes trotzig zuckte. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass er das Richtige tat, und wandte sich mit einem Lächeln an den Seigneur, dessen kühler Blick unter dem Helm, der mit einem blank polierten stählernen Nasensteg das Gesicht in zwei Hälften teilte, nur noch gefährlicher wirkte.
Im leichten Reiseharnisch, das beeindruckende Kampfschwert an der Seite, wirkte Hervé de Sainte Croix, als könnte er es auch im Alleingang mit den Feinden des Herzogtums aufnehmen. Aber traf dies auch auf eine bezaubernde, eigensinnige Erbin zu? Der Herzog hatte gelernt, die schönen Novizinnen von Sainte Anne als Gegnerinnen von hohem Rang zu respektieren.
»Ich vertraue Euch die Hoffnung des Hauses Rospordon an«, erklärte er seinem Freund ernster als beabsichtigt.
»Ich werde sie mit meinem Leben verteidigen!« Die Stimme wurde durch den Helm gedämpft, und Oliviane versuchte, den Schauer zu unterdrücken, der sie bei diesen Worten durchlief.
22. Kapitel
Es begann schon wieder, aber dieses Mal würde er sich nicht narren lassen. Er hatte sein Lehrgeld bezahlt. Er würde kein zweites Mal Gefühle suchen, wo nur harter kalter Stolz existierte. Nur Eigensucht und Ehrgeiz. Trotzdem suchte sein Blick wie von selbst die anmutige Reiterin im zimtfarbenen Reisekleid. Es gab niemanden, der mit so viel Grazie im Sattel eines Pferdes saß. Die Linie ihrer Schultern war eine Augenweide, und der Faltenwurf der üppigen Röcke ließ die Kontur eines schlanken Beines erahnen, das sich um das Sattelhorn gelegt hatte.
In ein Kloster wollte sie sich zurückziehen! Vermutlich weil sie sich zu schade dafür war, ihre stolze kleine Hand irgendeinem simplen, groben Mann zu schenken, und sei er noch so hochgeboren oder nobel. Es war keine Frömmigkeit, die sie dazu trieb, den Schleier zu nehmen, es war der Gipfel der Arroganz und Selbstverliebtheit. Daran gab es für ihn keinen Zweifel. Er kannte sie schließlich nur zu gut.
Einzig eine Frau, die bis in die Tiefe ihrer Seele hinein kalt und ungerührt blieb, konnte eine solche Entscheidung treffen! Nur sie vermochte jenes Maß an Leidenschaft unter Kontrolle zu halten, das sie unter ihrer stolzen Fassade versteckte.
Er wusste, dass sie kein Zeichen von Schwäche erkennen lassen würde, und deswegen ersparte er es sich, sie unnötig auf die Probe zu stellen. Er gab bei Sonnenuntergang den Befehl zur Rast, und in der sinkenden Dämmerung schlugen sie ihr Lager an einem windgeschützten Platz auf, wobei sich die Männer um die Edeldame formierten und einen sicheren Schutzwall um sie herum errichteten.
Dieses Mal gab es sogar ein rechteckiges Zelt für Oliviane, dessen Stoffbahnen den Wind abhielten, während zusätzlich ein schmiedeeisernes Becken mit glühender Holzkohle für ein wenig Wärme sorgte. Eine dicke Binsenmatte schützte vor der Kälte der Erde, und Oliviane entdeckte staunend einen Klappstuhl, einen Tisch und ein Reisebett mit einer schweren Felldecke.
»Ich hoffe, es ist alles zu Eurer Bequemlichkeit?«, erkundigte sich der Seigneur de Sainte Croix mit einem anzüglichen Unterton, der sie die Stirn runzeln ließ. Er hatte noch nicht einmal seinen Helm abgelegt! Warum hatte er diesen Luxus um sie herum errichten lassen, wenn er sie jetzt dafür rügen wollte?
»Ich bin
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