olly - 09 - Die Burg erlebt ihr groesstes Fest
Aufsicht wie ein kleines Baby? Ich bin einfach in einen anderen Wagen eingestiegen. Und dann habe ich mich erst mal in dem Kaff da umgesehen, wo wir ausgestiegen sind.”
„Und dann waren die Busse natürlich weg”, sagte Judith, die sich mit den anderen um die Neue geschart hatte.
„Wozu brauch ich ‘nen Bus, wenn ich trampen kann. Ich bin per Anhalter hergekommen.”
„Da wird dir Pöttchen schön was erzählt haben, als du hier eingetrudelt bist”, sagte Steffi kopfschüttelnd.
„Mir doch egal. Bei so was bin ich auf beiden Ohren taub.” Irmgard und Ingrid wechselten einen Blick. Sie gehörten beide zu den Mädchen auf Burg Möwenfels, die sich aus solchen Rebellen, wie diese Carola zu sein schien, in das verwandelt hatten, was man „einen Erfolg für Möwenfels” nannte. Die kriegen wir schon noch hin! sagte dieser Blick, auch wenn sie den Mund noch so voll nimmt.
Durch das Treppenhaus des Nordturms hallten laute Gongschläge.
„Wir müssen in den Speisesaal runter, und du hast weder dein Nachtzeug ausgepackt noch dich gewaschen und umgezogen”, sagte Johanna ärgerlich. „Nun beeil dich bitte!”
„Was geht dich das an? Ist doch mein Problem, oder?”
„Nicht ganz. Ich bin die Zimmerälteste und habe hier für Ordnung zu sorgen.”
„Hör mal, du – Zimmerälteste oder was immer du sein magst. Man hat mich gegen meinen Willen hierhergeschickt. Na schön, das kann ich im Augenblick nicht ändern. Aber ich habe nicht die Absicht, mich von dir herumkommandieren zu lassen. Weder von dir, noch von irgend jemandem von euch, kapiert? Und was eure blöde Schulkluft betrifft – ich pfeife darauf!” Carola schnaubte verächtlich durch die Nase und schaute eine nach der anderen herausfordernd an.
„Na schön, wie du meinst”, sagte Johanna kühl. „Kommt. Ihr habt es gehört: Carola will für sich selber sorgen, sie braucht uns nicht. In Ordnung. Mach also was du willst. Ich wäre dir nur dankbar, wenn du dich insoweit an die Hausordnung halten würdest, daß die anderen durch dein Verhalten keine Nachteile erleiden müssen.”
„Keine Nachteile erleiden müssen…”, äffte Carola Johanna nach. „Keine Sorge, Frau Oberlehrer, machen sie sich bloß nicht in die Hose, ich tu ihren Wickelkindern nichts!”
Aber Johanna und die anderen hörten es nicht mehr, sie hatten das Zimmer verlassen.
Carola stand eine Weile ratlos im leeren Schlafsaal, dann bummelte sie hinter den anderen her.
„Du dort – wer bist du denn?” wurde sie plötzlich von hinten angesprochen. Die Stimme klang erstaunt und ärgerlich zugleich.
Carola drehte sich um. Vor ihr stand die Hausmutter.
„Carola Schneider. Ich bin neu hier”, sagte Carola hölzern.
„Das sieht man. Wo ist dein Gesundheitszeugnis, Carola, du hast es mir noch nicht gegeben.”
„Oben in meiner Tasche, ich kann’s Ihnen ja nach dem Essen bringen, wenn Sie wollen.”
„Tut mir leid. Bitte hole es sofort. Ohne Gesundheitszeugnis muß ich dich in die Krankenstation in Quarantäne bringen.”
„Das ist hier ja wie im Gefängnis”, murmelte Carola unwillig.
„So?” meinte die Hausmutter ruhig. „Nun, darüber scheint es verschiedene Ansichten zu geben. Fast zweihundertfünfzig Mädchen sind nämlich der Ansicht, es gäbe keine schönere Schule in unserem Lande als Burg Möwenfels. Du wirst mit deiner Meinung ziemlich allein dastehen, fürchte ich. Und nun bring mir dein Gesundheitszeugnis.” Carola trollte sich davon.
Als sie mit reichlicher Verspätung im Speisesaal eintraf, schauten die Mädchen sie an, als sei ein Krokodil auf der Bildfläche erschienen. Carola überspielte ihre Verwirrung und steuerte auf einen freien Platz zu, ohne zu bemerken, daß sie sich genau neben Fräulein Pott setzte.
„Du kommst reichlich spät, Carola”, sagte die Vorsteherin des Nordturms höflich. „Darf ich annehmen, daß du vergeblich nach deiner Schulkluft gesucht hast und schließlich feststellen mußtest, daß du sie zu Hause vergessen hast?”
„Ich habe sie nicht vergessen”, sagte Carola bockig. „Ich will sie nur nicht anziehen.”
Fräulein Pott schwieg überrascht. So viel Trotz und Unverschämtheit waren ihr noch nicht vorgekommen, so lange sie Lehrerin auf Burg Möwenfels war. Aber sie ließ sich ihren Schock nicht anmerken. „Nun ja”, antwortete sie liebenswürdig, „wenn ich es mir recht überlege, scheinst du für die Schulkluft auch noch nicht würdig zu sein. Ich möchte dich bitten, sie nicht eher anzuziehen, bis ich es dir
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