Olympiareife Nummern
ahne ich, dass was passieren wird, wenn wir jetzt nach Hause fahren. Einerseits freue ich mich, weil ich echt Bock auf ihn habe, andererseits ... ist das so gut? Überein- anderherzufallen, ohne vorher was geklärt zu haben? Keinen Ton werden wir reden, ich kenn' uns doch!
Das Gehirn vollkommen ausgeschaltet, weil das Blut für die sauerstoffreiche Versorgung längst ein anderes Organ aufgesucht hat... deswegen funktioniert's ja auch immer so gut. Ich ringe mit mir und fasse einen Entschluss. „Setz' mich an der WG ab", sage ich im Auto zu ihm. „Was?" Jan ist schockiert. „Warum?" „Ich hab' meine Gründe", sage ich.
„Ach so." Seine Stimme ist kalt. „Du hast wohl noch 'ne Verabredung, was?"
„Nein, hab' ich nicht, echt nicht", sage ich. „Ich will bloß allein sein, das ist alles." Er sagt nichts mehr, bis wir da sind. Ich auch nicht. Kein Parkplatz, er hält in der zweiten Reihe. „Wie kommste denn mit Lily zurück?", fragt er mich, „dein Wagen steht doch bei uns!"
„Ach, das krieg' ich schon hin", sage ich und steige aus. Mache die Schiebetür auf, um meine Sporttasche rauszunehmen.
„Lass' die doch drin", sagt Jan, „die brauchste doch nicht! Nick ... bis morgen ... ach Schatz ...", wie sehnsüchtig das klingt! Das hätte mich fast schwach gemacht. „Tschüss", sage ich leise und seufzend sehe ich ihm hinterher, bis er abgebogen ist.
Langsam und nachdenklich gehe ich die Stufen hoch. Schließe auf, gehe rein. Höre George Michael aus Ulis Zimmer. Dann schon lieber Robbie Williams. Ich klopfe. „Ja?", höre ich ihn und betrete seinen plüschigen Salon. Auf Flohmärkten hat er zugeschlagen und sein Interieur auf 50er Jahre getrimmt. Ist das nicht auch schon wieder out? Irgendwie hinkt er da dem Zeitgeist immer hinterher. Vor den Fünfzigern hatte er so eine High-Tech-Phase. Aber darin hat er sich angeblich zu „dick" gefühlt! Na, ich will mich nicht beklagen, schließlich staubte ich einige von seinen zu „schlanken" Möbeln kostengünstig ab! Damals zog ich hier nämlich gerade ein! Im Grunde ist Uli ja auch meine Lieblingstunte und ich habe ihn echt ins Herz geschlossen. Er sitzt in seinem Bademantel und Pantoffeln (beides kanarienvogelgelb) an seinem kleinen Nierentisch vorm Sofa und legt eine Patience. Wie 'ne alte Dame. Lil Dagover in „Die seltsame Gräfin" fällt mir spontan dazu ein. Diese ganzen alten Edgar Wallace Krimis kenne ich in- und auswendig.
Oma guckte nämlich immer gezielt die Schwarz-Weiß- Filme, wenn sie für mich da war, weil Franziska arbeiten musste. Ich ging dann brav ins Bett und nach 'ner Viertelstunde schlich ich zurück , setzte mich hinter ihren Sessel, wo Oma schon eingedöst war und zappte. Es durften aber nur die Schwarz-Weiß-Schinken sein, denn sie schreckte manchmal hoch und sah dann wieder 'ne Weile zu. Bei was Farbigem wurde sie stutzig.
Anfangs war ich ja noch ein kleiner Knirps, daher ließ ich das Programm, dass sie ausgesucht hatte, laufen. Später (als ich lesen konnte) suchte ich mir vorher schon eine Alternative raus (die Theo Lingen- und Hans Moser-Reihe war schon damals nicht mein Fall. Dieses ununterbrochene Ge- geige und Gefiedel als musikalische Untermalung und das Genuschle in dieser seltsamen Mundart ... mein Gott, Peter Pacult und Kurt Jara kann man wenigstens verstehen!) und noch ein bisschen später stellte ich fest, dass man ja auch die Farbeinstellung des Fernsehers verändern konnte. Bei unserer alten Kiste kriegten die Filme dann zwar so ein Blaustich, wenn man die Farbe rausnahm, aber das merkte Oma in ihren seltenen wachen Momenten nicht. Ein bisschen aufpassen musste ich schon bei der Wahl des Film-Genres. Also lange Kleider und Ballsäle (Willi Fritsch und Lilian Harvey, Dieter Borsche und Ruth Leuwerik ... gähn ...) harmonierten natürlich nicht so gut mit Star Wars und Konsorten, die passten dann schon eher zu Dracula und Co, weil die da auch so lange Plünnen trugen.
Mein Gott, ist das schon lange her ... werd' ich etwa alt? Uli sieht mich erstaunt an.
„Ach, nee - du? Na, da wird sich aber einer freuen!" „Hä? Was meinst du?", frage ich. Uli nippt mit abgespreiztem kleinen Finger an seinem Baileys. „Geh' mal gucken", sagt er süffisant, „vielleicht schläft er schon ... kleine Jungs brauchen noch viel Schlaf ... Er kam ja auch schon um acht." Langsam fliegt mich eine Ahnung an ... hatte ich nicht unten auf der Straße einen alten Mercedes gesehen? Ich öffne Josys ehemaliges Zimmer und sehe hinein. Auf dem
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