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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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über den Vergleich. Statt von einer vier Meter hohen, wackligen hölzernen Palisade ist Ilium von seiner dreißig Meter hohen und sieben Meter d i cken Mauer umgeben, und viele Türme, Ausfallpforten, Schießscha r ten, Schützen- und Wassergräben, Brustwehren und Reihen ang e spitzter Pfähle verstärken seine Verteidigungsanlagen. Statt von einem Angreiferheer aus über hundert schweigenden Voynixen wird diese große Stadt von Zehntausenden jubelnder, brüllender, fluchender Griechen angegriffen. Fackeln, Lagerfeuer und bre n nende Pfeile beleuchten die heranbrandende Heldenhorde auf viele Kilometer hinaus. Jede Gruppe hat ihren eigenen König, ihre eigenen Truppenführer, Belagerungsleitern und Streitwagen, jede Gruppe ist versessen auf ihren eigenen Kampf im Rahmen des größeren Kampfes. Statt Ardis Hall und seine vierhundert Seelen schützen die hiesigen Verteidiger – allein auf den Brustwehren und Treppen der langen, von diesem Turm aus sichtbaren Sü d mauer erblickt sie Tausende von Bogenschützen und Lanze n kämpfern – das Leben von über hunderttausend verängstigten Landsleuten, darunter das ihrer Kinder, Frauen und Töchter, ihrer jungen Söhne und hilflosen Alten. Statt Harmans einem Sonie über dem Schlachtfeld im Garten sieht Ada hier Dutzende fli e gender Streitwagen in der Luft, die alle von ihrer eigenen Kraf t feldblase geschützt werden und d e ren göttlichen Insassen massive Energiestrahlen und Lichtblitze entweder in die Stadt oder zu den angreifenden Horden hinausschicken.
    Noch nie hat Ada unter dem Turin-Tuch gesehen, dass sich so viele olympische Götter persönlich an den Kämpfen beteiligt h a ben. Selbst aus dieser Entfernung kann sie Ares, Aphrodite, Art e mis und Apollo zur Verteidigung Trojas durch die Luft sausen und kämpfen sehen, während Hera, Athene, Poseidon und andere Götter, die man bisher nur selten zu Gesicht b e kommen hat, auf der Seite der angreifenden Achäer wüten. Nur von Zeus ist nichts zu sehen.
    Jedenfalls hat sich im Verlauf der neun Monate ohne Turin einiges g e ändert, denkt Ada.
    »Hektor ist nicht aus seinen Gemächern gekommen, um sich an die Spitze seiner Männer zu stellen«, flüstert Helena Menelaos zu. Ada wendet ihre Aufmerksamkeit wieder dem Paar zu. Sie h o cken zusammen vor einem winzigen Lagerfeuer hier o ben auf der zerstörten, offenen Plattform, und der rote Soldatenumhang schirmt die Glut vor fremden Augen unten in der Stadt ab.
    »Er ist ein Feigling«, sagt Menelaos.
    »Das solltest du besser wissen. In diesem wahnsinnigen Krieg hat es keinen tapfereren Mann gegeben als Hektor, den Sohn des Priamos. Er trauert.«
    »Um wen?«, lacht Menelaos. »Um sich selbst? Seine Leben s spanne bemisst sich jetzt nur noch nach Stunden.« Er macht eine Handbewegung zu den Horden der Achäer hinaus, die Troja von allen Seiten angreifen.
    Helena schaut auch hin. »Glaubst du, dieser Angriff wird E r folg haben, mein Gemahl? Mir erscheint er unkoordiniert. Und es gibt keine Belagerungsmaschinen.«
    Menelaos grunzt. »Ja, vielleicht hat mein Bruder sie zu rasch zum Angriff geführt – es gibt zu viel Durcheinander. Aber wenn der heutige Angriff fehlschlägt, wird der morgige Erfolg haben. Ilium ist zum Untergang verurteilt.«
    »So scheint es«, sagt Helena leise. »Aber das war es schon i m mer, nicht wahr? Nein, Hektor trauert nicht um sich selbst, edler Gemahl. Sein Kummer gilt seinem ermordeten Sohn, Skamandrios, und dem Ende des Krieges gegen die Götter, der das Baby hätte rächen können.«
    »Dieser Krieg war reine Torheit«, brummt Menelaos. »Die Gö t ter hätten uns vernichtet oder von der Erde verbannt, so wie sie unsere Familien daheim gestohlen haben.«
    »Du glaubst Agamemnon?«, flüstert Helena. »Sie sind alle fort?«
    »Ich glaube, was Poseidon, Hera und Athene Agamemnon e r zählt haben – dass unsere Angehörigen, Freunde und Sklaven und alle anderen auf der Welt von den Göttern zurückgeschickt werden, wenn wir Achäer Ilium niederbrennen.«
    »Wären selbst die unsterblichen Götter zu so etwas imstande, mein Gemahl – alle Menschen von unserer Welt zu entfernen?«
    »Offenbar«, sagt Menelaos. »Mein Bruder lügt nicht. Die Gö t ter haben ihm erzählt, es sei ihr Werk gewesen, und siehe, unsere Städte sind leer! Und ich habe mit den anderen gespr o chen, die mit ihm gefahren sind. All die Höfe und Häuser auf dem Pel o ponnes sind … pst, da kommt jemand.« Er stößt die Glut mit dem Fuß auseinander, steht auf,

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