Olympos
Werkstatt getragen. Hannah hatte das vordere Ende der Bahre genommen, Harman das hintere, Petyr sorgte für ihre Sicherheit, und gleich darauf befanden sie sich im helixart i gen Labyrinth der grünen Blasen, durchquerten Gänge und sti e gen stehende Rolltreppen hinauf. Ihr Ziel war die Blase mit den Kristallsärgen, wo Savi ihren eigenen Worten zufolge neben Odysseus in ihrem langen Kryoschlaf gelegen hatte.
Binnen Minuten war Harman nicht nur von Hannahs Gedäch t nis beeindruckt – sie zögerte nie, wenn sie an eine Kre u zung von Blasenkorridoren oder an eine Treppe kamen –, so n dern auch von ihrer Kraft. Die schmale junge Frau atmete nicht einmal schwer, aber Harman hätte eine Pause gebrauchen kö n nen. Odysseus-Noman war nicht sehr groß, aber schwer. Harman ertappte sich dabei, wie er einen Blick auf die Brust des Bewusstlosen warf, um sich zu vergewissern, dass er noch a t mete. Das tat er … aber nur so gerade eben.
Als sie die Hauptblasenhelix erreichten, die sich um den Br ü ckenturm nach oben wand, zögerten sie alle drei, und Petyr erhob seinen schussbereiten Bogen.
Dutzende von Voynixen hingen am Metall der Brücke und schienen mit ihren augenlosen Panzern auf sie herabzuschauen.
»Sie können uns nicht sehen«, sagte Hannah. »Von außen ist die Blase dunkel.«
»Doch, ich glaube, sie sehen uns«, erwiderte Harman. »Savi z u folge beträgt der Gesichtskreis ihrer Hauben-Rezeptoren dre i hundertsechzig Grad, und sie sehen im Infrarotbereich … jenem Strahlungsbereich, der eher Wärme als sichtbares Licht ist und den unsere Augen nicht wahrnehmen … und ich habe das Gefühl, dass sie uns direkt durch das opake Buckyglas hindurch anscha u en.«
Sie gingen den gekrümmten Korridor weitere dreißig Schritte entlang, und die Voynixe, die sich an die Turmwände klamme r ten, veränderten ihre Körperhaltung, um ihnen zu folgen. Plöt z lich sprang ein Dutzend der schweren Geschöpfe auf das Glas herunter.
Petyr hob seinen eingekerbten Bogen, und Harman war s i cher, dass die Voynixe durch das Buckyglas brechen würden, aber man hörte nur ganz leise dumpfe Laute, als jeder Voynix auf das mi l limeterdünne Kraftfeld traf, abrutschte und in die Tiefe stürzte. Die Menschen befanden sich zufällig in einem Bereich des Blase n korridors, in dem der Boden beinahe transparent war – eine ene r vierende Erfahrung, die Harman und Hannah jedoch schon ei n mal gemacht hatten; darum vertrauten sie darauf, dass der fast durchsichtige Boden sie tragen würde. Petyr hingegen schaute immer wieder auf seine Füße, als könnte er jede Sekunde hinu n terfallen.
Sie durchquerten den größten Raum – das Museum, wie Savi ihn genannt hatte – und betraten die lang gestreckte Blase mit den Kristallsärgen. Hier war das Buckyglas nahezu undurc h sichtig und sehr grün. Es erinnerte Harman an die Zeit – war das wir k lich erst anderthalb Jahre her? –, als er kilometerweit in den atla n tischen Bruch hinausgegangen war und durch turmhoch aufr a gende Wasserwände zu beiden Seiten riesige Fische gesehen ha t te, die hoch über ihm schwammen. Dort war das Licht genauso trübe und grün gewesen wie hier.
Hannah setzte die Tragbahre ab, Harman beeilte sich, es ihr gleichzutun, und sie schaute sich um. »Welche Kryo-Krippe?«
In dem langen Raum standen acht leere Kristallsärge, die im g e dämpften Licht matt glänzten. Jeder Sarg war an hohe Kästen mit summenden Maschinen angeschlossen, und virtuelle Lämpchen blinkten grün, rot und gelb über Metallflächen.
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Harman. Savi hatte mit D a eman und ihm über ihren jahrhundertelangen Schlaf in einer oder me h rerer dieser Kryo-Krippen gesprochen, aber dieses Gespräch hatte vor über zehn Monaten stattgefunden, während sie mit dem Crawler ins Mittelmeerbecken vorgedrungen waren, und er eri n nerte sich kaum noch an die Einzelheiten. Vie l leicht hatte es auch gar keine Einzelheiten gegeben, an die er sich erinnern konnte.
»Probieren wir es einfach gleich mit dem ersten hier«, schlug er vor. Er packte den bewusstlosen Odysseus unter den verbund e nen Armen, wartete, bis Petyr und Hannah mit anfassten, und sie fingen an, ihn in den Sarg gleich bei der Wendeltreppe zu hieven, die, wie Harman sich erinnerte, zu einem weiteren Blasenkorridor hinaufführte.
»Wenn ihr ihn dort hineinlegt, wird er sterben«, kam eine le i se, androgyne Stimme aus der Dunkelheit.
Die drei beeilten sich, Odysseus wieder auf die Tragbahre zu l e
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