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Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Eiskristalle bi l deten sich an dem durchsichtigen Deckel. Etliche neue Lichter flammten auf. Eines blinkte rot.
    »Oh!«, sagte Hannah. Ihre Stimme war sehr klein.
    »Nein«, sagte Ada. Ihr Ton war ruhig, aber fest. »Nein. Nein. Nein.« Sie legte ihre offene Hand auf den Kunststoff-Kontrollnexus des Sargs, als würde sie mit der Maschine disk u tieren.
    Das rote Licht blinkte, wechselte zu Gelb, schaltete wieder auf Rot.
    »Nein«, sagte Ada fest.
    Das rote Licht flackerte, wurde schwächer, sprang auf Gelb. Blieb gelb.
    Hannahs und Adas Finger trafen sich kurz über dem Sarg, dann legte Ada ihre Hand wieder auf die leuchtende Wölbung des KI-Nexus.
    Das gelbe Licht brannte weiter.
    Mehrere Stunden später, als Spätnachmittagswolken hera n zogen und erst die Ruinen von Machu Picchu und dann die Fahrbahn der Hängebrücke knapp zweihundert Meter unter ihnen verbargen, sagte Ada: »Hannah, freifaxe nach Ardis z u rück. Iss etwas. Ruh dich aus.«
    Hannah schüttelte den Kopf.
    Ada lächelte. »Dann geh wenigstens in den Speisebereich hi n auf und hol uns etwas Obst und Wasser.«
    Das gelbe Licht brannte den ganzen Nachmittag. Kurz nach Sonnenuntergang, als die Andentäler in Alpenglühen getaucht waren, freifaxten Daeman, Tom und Siris herbei, aber sie bli e ben nur einen Augenblick.
    »Wir haben bereits dreißig der anderen Gemeinschaften e r reicht«, sagte Daeman zu Ada. Sie nickte, aber ihr Blick wich keine Sekunde von dem gelben Licht.
    Die anderen faxten schließlich mit dem Versprechen fort, am nächsten Morgen wiederzukommen. Hannah zog die Decke um sich und schlief auf dem Boden neben dem Sarg ein.
    Ada blieb – manchmal kniete sie, manchmal saß sie, aber ihr Geist blieb stets wach, und immer lag ihre offene Hand auf dem Kontrollnexus des Sarges, immer schickte sie die Nachricht von ihrer Anwesenheit und ihre Gebete durch die Schaltkreise, die sie und ihren Harman trennten, und immer ruhte ihr Blick auf dem gelben Anzeigelämpchen.
    Irgendwann nach drei Uhr morgens Ortszeit sprang das gelbe Licht auf Grün.

 

88
    Eine Woche nach Iliums Fall:
    Achilles und Penthesilea erschienen auf dem leeren Kamm, der sich zwischen der Ebene des Skamandros und der Ebene des Simoeis erhob. Wie Hephaistos versprochen hatte, warteten dort zwei Pferde – ein kraftvoller schwarzer Hengst für den Achäer und eine kleinere, aber noch muskulösere weiße Stute für die Amazone. Die beiden stiegen auf und betrachteten das, was übrig war.
    Viel war es nicht.
    »Wie kann eine ganze Stadt wie Ilium verschwinden?« Penthesileas Stimme war so zänkisch wie immer.
    »Alle Städte verschwinden«, sagte Achilles. »Das ist ihr Schicksal.«
    Die Amazone schnaubte. Achilles hatte bereits bemerkt, dass das Schnauben der blonden Menschenfrau dem ihrer weißen Stute ähnelte. »Aber doch wohl kaum binnen eines Tages … e i ner Stunde.« Die Bemerkung klang wie eine Beschwerde, eine Klage. Schon zwei Tage nach Penthesileas Wiederauferstehung aus den Tanks des Heilers gewöhnte sich Achilles allmählich an diesen beständigen nörgelnden Ton.
    Eine halbe Stunde lang überließen sie es ihren Pferden, sich einen Weg durch das Gewirr aus Steinen zu suchen, das sich rund drei Kilometer weit auf dem Höhenzug erstreckte, auf dem einst das mächtige Troja gestanden hatte. Kein einziger Fundamentstein war übrig. Der göttliche Zauber, der Troja hinweggeholt hatte, hatte die Stadt fast einen halben Meter u n ter den frühesten Steinen der Stadt abrasiert. Nicht einmal ein verrottender Speer oder ein verwesender Kadaver war zurüc k geblieben.
    »Zeus ist wirklich mächtig«, sagte Penthesilea.
    Achilles schüttelte seufzend den Kopf. Der Tag war warm. Der Frühling nahte. »Ich hab ’ s dir doch erzählt, Amazone. Zeus hat das nicht getan. Zeus ist von meiner Hand gestorben. Dies ist H e phaistos ’ Werk.«
    Die Frau schnaubte. »Nie im Leben glaube ich, dass dieser trottelige kleine Krüppel mit dem stinkenden Atem so etwas zuwege bringen könnte. Ich glaube nicht einmal, dass er ein richtiger Gott ist.«
    »Er hat es getan«, sagte Achilles. Mit Nyx Hilfe, fügte er inne r lich hinzu.
    »Das sagst du, Sohn des Peleus.«
    »Ich habe dich doch gebeten, mich nicht so zu nennen. Ich bin nicht mehr der Sohn des Peleus. Ich war Zeus ’ Sohn, was weder für ihn noch für mich spricht.«
    »Das sagst du«, wiederholte Penthesilea. »Demnach wärst du ein Vatermörder, wenn deine Prahlereien stimmen.«
    »Ja«, sagte Achilles. »Und ich prahle

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