Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Olympos

Titel: Olympos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
nie.«
    Die Amazone und ihre weiße Stute schnaubten gemeinsam.
    Achilles gab seinem schwarzen Hengst die Fersen und ritt vorneweg vom Kamm herunter, auf der ausgetretenen südl i chen Straße entlang, die zum skäischen Tor hinausgeführt hatte – der Stumpf der riesigen Eiche, die dort seit der Gründung der Stadt gestanden hatte, war noch da, aber die gewaltigen Torfl ü gel waren verschwunden –, und dann wieder nach rechts auf die Ebene des Skamandros zwischen der Stadt und dem Strand.
    »Wenn dieser traurige Hephaistos jetzt König der Götter ist … « – Penthesileas Stimme war so laut und enervierend wie Finge r nägel auf einer Schieferplatte – » … weshalb hat er sich dann die ganze Zeit in seiner Höhle versteckt, während wir auf dem O lymp waren?«
    »Ich habe es dir doch gesagt – er wartet darauf, dass der Krieg zwischen den Göttern und den Titanen endet.«
    »Wenn er Zeus ’ Nachfolger ist, weshalb zum Hades beendet er ihn dann nicht selbst, indem er Blitz und Donner gebietet?«
    Achilles schwieg. Manchmal, hatte er festgestellt, hielt sie schließlich den Mund, wenn er nichts sagte.
    Auf der Ebene des Skamandros – in ihren elf Jahren als Schlachtfeld glatt gewetzt – schien der Boden nicht abrasiert worden zu sein; hier sah man immer noch die Abdrücke vieler tausend sandalenbewehrter Männer, und Blut trocknete auf den Steinen. Aber alle lebenden Menschen, Pferde, Streitwagen, Waffen, Leichen und andere Artefakte waren verschwunden, genau wie Hephaistos es Achilles beschrieben hatte. Selbst die Zelte der Achäer und die verbrannten Rümpfe ihrer schwarzen Schiffe waren fort.
    Am Strand ließ Achilles ihre Pferde ein paar Minuten ausr u hen, und der Mann und die Amazone betrachteten die trägen Wellen der Ägäis, die auf den leeren Sand rollten. Achilles würde der Wolfsfrau an seiner Seite kein Wort davon sagen, aber das Herz tat ihm weh bei dem Gedanken, dass er seine Waffenkameraden – den erfindungsreichen Odysseus, den la u ten großen Ajax, den lächelnden Bogenschützen Teukros, seine treuen Myrmidonen, ja sogar den dummen, rothaarigen Menelaos und dessen intriganten Bruder Agamemnon, Achi l les ’ Erzfeind – nie Wiedersehen würde. Seltsam, dachte Achi l les, dass einem selbst die Feinde so wichtig wurden, wenn man sie ve r lor.
    Daraufhin dachte er an Hektor und daran, was Hephaistos ihm über die Ilias erzählt hatte – über Achilles ’ eigene, andere Zukunft –, und das bewirkte, dass die Verzweiflung wie Galle in ihm emporstieg.
    Er drehte den Kopf seines Pferdes nach Süden und trank aus dem Weinschlauch aus Ziegenleder, der an den Sattelknauf g e bunden war.
    »Und bilde dir bloß nicht ein, dass ich jemals glauben werde, der bärtige Krüppel-Gott hätte tatsächlich die Fähigkeit bese s sen, uns zu vermählen«, meckerte Penthesilea hinter ihm. »Das war ein Haufen Pferdescheiße.«
    »Er ist der König aller Götter«, sagte Achilles müde. »Wer w ä re besser geeignet, unsere Hochzeitsschwüre zu heiligen?«
    »Der kann meinen Arsch heiligen«, erwiderte Penthesilea. »Reiten wir fort? Und warum nach Südosten? Was ist dort? Weshalb verlassen wir das Schlachtfeld?«
    Achilles schwieg, bis er sein Perd eine Viertelstunde später zügelte und zum Stehen brachte.
    »Siehst du diesen Fluss, Frau?«
    »Natürlich sehe ich ihn. Glaubst du, ich bin blind? Das ist bloß der lausige Skamandros – zu schlammig, um daraus zu tri n ken, aber als Acker zu wässrig –, Bruder des Flusses Simoeis, mit dem er sich ein paar Kilometer flussabwärts vereint.«
    »Hier, an diesem Fluss, den wir Skamandros, die Götter j e doch den heiligen Xanthos nennen«, sagte Achilles, »hier hätte ich Hephaistos zufolge, der meinen Biografen Homer zitiert, meine größte Aristie erhalten – den Zweikampf, der mich u n sterblich gemacht hätte, noch bevor ich Hektor tötete. Hier, Frau, hätte ich mit einer Hand gegen das gesamte trojanische Heer gekämpft – und gegen den angeschwollenen Fluss mit seinen von den Göttern gesandten Fluten! – und zum Himmel geschrien: › Geht nur zugrunde, Trojaner, bis wir zum heiligen Ilion kommen! ‹ Genau dort, Frau, siehst du, wo diese kleinen Stromschnellen sind? Genau dort hätte ich in blutiger Raserei Thersilochos, Mydon, Astypylos, Mnesos, Thrasios, Ainios und Ophelestes getötet. Und dann wären die Paioner von hinten über mich hergefallen, und auch sie hätte ich alle getötet. Und dort, jenseits des Flusses auf der trojanischen Seite,

Weitere Kostenlose Bücher