Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

bleiben.»
    «Susanne, die Besitzerin vom Island Palace, hat ihre Disco gerade mit Schaumkanonen aufgerüstet. Da kann ich sowieso nicht mithalten.»
    «Verstehe.»
    «Nachher wird Barni deinen Schrotthaufen in seine Werkstatt schleppen», wechselte Arne abrupt das Thema. «Das ist der, der gestern bei den Wölfen den Bass bedient hat.»
    «Das Tier mit den Muskelbergen?»
    «Wenn einer auf alte Käfer kann, dann er.»
    Jade sprang auf und drückte Arne einen Kuss auf die Wange.
    «Danke.»
    «Da nicht für.»
    «Kann ich auch was für dich tun?»
    «Was stellst du dir da so vor?»
    Sie zog ihre rechte Augenbraue hoch.
    «Oben ohne an der Bar servieren?»
    Arne schaute sie verdattert an.
    Sie lachte.
    «Na ja, irgendwie müssen wir die Bude ja vollkriegen!» Sie hob ihre kleinen Brüste mit den Händen etwas an. «Meinst du, das langt?»
    Arne war etwas unangenehm berührt, aber Imke kicherte, bis ihr die Tränen kamen. Sie schob ihrer Enkelin ein weiteres Foto hin. Es zeigte eine wunderschöne Frau in karierten Hosen, die mit gespreizten Beinen gerade einen gewaltigen Luftsprung machte und dabei ausgelassen lachte. Ihre blonden Haare flogen nach allen Seiten, ihr Lippenstift sah ziemlich verrucht aus. Imke lächelte verschmitzt.
    «Heißer Feger!», bemerkte Jade und riss plötzlich die Augen auf. «Bist du das, Oma?»
    Ihre Großmutter nickte voller Stolz.
    Arne kannte das Foto: «Das war ein Rock-’n’-Roll-Wettbewerb in den Fünfzigern.»
    «Wow!»
    Oma deutete im Rollstuhl einen Hüftschwung an und hielt dabei kokett die Arme in die Höhe. Als dieses Foto geschossen wurde, hatte sie sich bestimmt nicht vorgestellt, dass sie es einmal mit ihrer Enkelin anschauen würde. Jetzt reichte sie Jade ein weiteres, noch viel älteres Bild: ein junges Paar, das wild vor einem Erdbeerfeld tanzte. Die Frau hatte einen Bubikopf, der Mann einen gezwirbelten Schnurrbart, beide strahlten sich schwer verliebt an. Imke schrieb dazu einen Text auf ihren Block:
    DAS SIND DEINE URGROSSELTERN.
    Jade sah sich das Bild genauer an.
    «Wie jung die waren und wie schön …», seufzte sie. «Die hätte ich gerne mal kennengelernt.»
    Oma kritzelte eine Skizze auf ihren Block und reichte ihn herüber. Jade schaute erst die Zeichnung, dann ihre Oma verblüfft an.
    «Deine Eltern haben dich im Feld hinter dem Erdbeerparadies gezeugt?», fragte sie erstaunt.
    «Mama!», empörte sich Arne. «Also wirklich!»
    Sie platzte fast vor Lachen.
    Imke fuchtelte mit den Händen und verlangte empört den Block zurück.
    KANNTE ZEUGEN!, schrieb sie darauf.
    Jade prustete erneut los.
    «Ohne das Feld hinterm Erdbeerparadies würde es dich und mich gar nicht geben, Arne!», rief Jade.
    Imke nickte und rollte mit ihrem Rollstuhl Richtung Badezimmer.
    «Oma, warte einen Moment, ich helfe dir beim Duschen!», rief sie.
    «Ich muss noch was Dringendes erledigen», druckste Arne herum. «Könntest du Mama heute nehmen?»
    Sie griff nach der knochigen Hand ihrer Oma und schaute ihn entgeistert an. «Das hatte ich sowieso vor. Was denkst du denn?»

[zur Inhaltsübersicht]
    8.
    Schülervertretung am Südstrand
    Das auflaufende Wasser funkelte in der Sonne, die Möwen kreischten, und im Hintergrund zog die weiße Amrum-Fähre auf geradem Kurs an Langeneß vorbei. Jade schob Imke über die Promenade am Südstrand. Sie hatte ihrer Oma nach dem Duschen den knallroten Badeanzug unter das grüne Strandkleid gezogen und konnte es kaum abwarten, sich in die Wellen zu stürzen.
    Falls sie jemals am Strand ankommen würden.
    Denn Oma schien auf Föhr Promi-Status zu besitzen, es war unglaublich, wie viele Menschen sie grüßten. Einheimische wie Touristen: Von überall her kam ein fröhliches «Moin Imke!». Fast alle blieben stehen, strichen ihr freundschaftlich über die Schulter und erzählten, was gerade so los war: Krankengeschichten, Klatsch und Tratsch. Am besten war Frau Feddersen mit ihrer frischen Dauerwelle und dem Blümchenkleid. So einen Aufzug kannte Jade nur aus alten Heimatfilmen der Fünfziger, die ihre thailändische Mutter aus unerfindlichen Gründen so liebte. Frau Feddersen erzählte Jade, wie sie mit Imke in Hamburg aus Versehen statt auf der Verbrauchermesse «Du und Deine Welt» auf der Erotik-Messe gelandet war, die nebenan stattgefunden hatte.
    «Da haben wir einiges dazugelernt, was, Imke?»
    Als Frau Feddersen verschwunden war, zückte Oma ihren Schreibblock. Für die Anekdote von Frau Feddersen gab es ein «TOTAL ÜBERTRIEBEN!».
    Jade schob