Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
das doch etwas anderes. Hoffentlich vertanzen wir uns nicht, ich hatte gestern Nacht schon einen richtigen Albtraum: Telse ist auf Wiebkes Kleidersaum getreten, die ist gestürzt und wir alle hinterher. Das Publikum hat gelacht und uns ausgebuht, es war furchtbar peinlich.
Man darf sich nicht verrückt machen lassen. Nach dem Sieg unserer Fußballmannschaft sind alle Menschen so fröhlich und ausgelassen. Hier in Kiel sieht man nur noch lachende Gesichter in den Straßen. Die werden uns schon nicht den Kopf abreißen, falls was danebengeht.
Unsere Föhrer Männer müssen nach dem Spiel sehr dumm aus der Wäsche geschaut haben, als all ihre Frauen verschwunden waren. Wir haben natürlich einen Brief beim Wirt des Erdbeerparadieses hinterlegt. Darin stand aber nur, dass wir in Kiel sind, nicht, wo genau der Wettbewerb stattfindet. Dass wir geschlossen gefahren sind, wird ihnen unheimlich vorgekommen sein und sie hoffentlich zum Nachdenken bringen. Denn das bedeutet, dass alle Frauen dasselbe empfinden.
Was dabei herauskommt?
Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber es wird schon nicht so schlimm werden, wir haben ja kein Verbrechen begangen. Falls sie vorhaben, uns zu holen, werden sie es auf keinen Fall rechtzeitig schaffen. Es hat ja zum Glück keiner ein Auto. Sie müssen also erst mit der Fähre aufs Festland, dann mit dem Bus nach Niebüll, und der hält an jeder Milchkanne, dann weiter mit dem Bummelzug nach Husum, Umsteigen nach Kiel, das dauert …
Ich muss aufhören, denn die anderen sind da, und es gibt noch viel zu tun. Auf geht’s, die große Bühne wartet nicht – wir werden denen zeigen, wie Friesinnen tanzen können!
Darunter ein Eintrag mit Kugelschreiber, den Oma erst vor kurzem hinzugefügt haben konnte: MACH WEITER SO, MEINE LIEBE JADE!
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14.
Friesische Thai-Klopse
Er wachte vom Piepsen seines Handys auf. Verschlafen schaute er aufs Display. Es war kurz nach acht, und er hatte eine SMS von seinem alten Freund Malte bekommen. Was wollte der denn jetzt?
«Moin, Arne. Dass die Kneipe geschlossen war, ist echt eine Sauerei. Wir sind stocksauer! Malte.»
Draußen auf dem Flur hörte er seine Mutter mit dem Rollstuhl vorbeifahren, in der Küche klapperte Jade bereits mit dem Frühstücksgeschirr. Da er niemanden sehen wollte, beschloss er, einfach im Bett liegen zu bleiben.
Während ich mit Susanne Lindner im Schlick festsitze, veranstaltet Jade hinter meinem Rücken eine Riesenparty, tobte es in ihm. In meinen Räumen, ohne mich zu fragen! Was ist nur in sie gefahren? Benimmt man sich so als Gast?
Kurze Zeit später erhielt er eine weitere SMS, diesmal von Barni, der sich ebenfalls beschwerte. Arne konnte seine Freunde gut verstehen, schließlich existierten ihre Doppelkopfrunden im Erbeerparadies seit fast zwei Jahrzehnten!
Aber das war nicht das Schlimmste an der Sache.
Das Schlimmste war, dass er sich eigentlich freuen sollte, denn dank Jade war seine Miete für den nächsten Monat gesichert. Doch das war nur ein kurzfristiger Sieg. Er würde sich vor Susanne erklären müssen, und die würde ihm bestimmt nicht abnehmen, dass er nichts von der Schaumparty gewusst hatte. Sie musste denken, dass er sie aufs Kreuz gelegt hatte, und nun einen Krieg gegen ihn beginnen. Einen Krieg, den er nie und nimmer gewinnen konnte. Was die Getränkehändler anbelangte, musste er sich jetzt warm anziehen!
Er drehte sich wieder zur Wand und schloss die Augen. Erst als er hörte, dass Jade und seine Mutter die Wohnung verließen, stand er auf und schlurfte zum Frühstückstisch. Dort lag ein Zettel von Jade: «Moin, Arne! Sind schwimmen. Um eins wieder da. Liebe Grüße, Jade.»
Das war alles? Keine Entschuldigung? Nichts?
Sein Kopf war leer, und als Erstes musste mal das dumpfe Gefühl aus seinem Körper verschwinden. Dagegen half nur ein deftiges heißes Essen, und zwar nicht irgendeines, sondern etwas Besonderes. Dieses Ritual hatte er sich aus dem Uraltfilm «Der Pate» abgeguckt. In der Mafiafamilie Corleone wurde immer eine ganz spezielle sizilianische Suppe gekocht, bevor man in den Krieg gegen eine feindliche Familie zog.
Nun wollte er nicht in den Krieg ziehen, aber harte Zeiten standen ihm trotzdem bevor. Er verzichtete also auf das Frühstück und fuhr direkt nach Nieblum ins Restaurant Alter Friesentraum, das sich in einem prächtigen Kapitänshaus mit Reetdach befand. Durch einen Seiteneingang huschte er in die Küche, wo sein chinesischer Freund Wang als Koch
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