Oma 04 - Omas Erdbeerparadies
irgendwann in den letzten Wochen mal an sie gedacht hatte?
Sie musste ständig an ihn denken – und ärgerte sich darüber. Im Kopf stellte sie Listen auf, warum er doof war: Wollte sie mit jemandem zusammen sein, der von seiner Tante ferngesteuert wurde? War ihm das Geschäft wichtiger als seine Gefühle? Andererseits, wie würde sie reagieren, wenn beide Eltern starben und sie ganz alleine dastehen würde? Vielleicht meinte er sich schützen zu müssen, vielleicht trauerte er noch zu sehr, um sich gegen seine Tante zu stellen.
Es war trotzdem nicht zu ändern, er hatte sie berührt!
Und wenn er nur ein klitzekleines Gefühl für sie hegte, hatten sie dann nicht eine Chance verdient? Momme passte in diesem Augenblick genau hierher, neben sie auf die Bank hinter dem Paradies.
Oma Imke kam lächelnd mit ihrem neuen knallroten Elektrorollstuhl um die Ecke gefahren. Sie hatte ihn heimlich bestellt, was Arne bestimmt gar nicht gefallen würde. Jade hatte ein deftiges Chili con Carne gekocht und vorsorglich einen dritten Teller gedeckt – falls Arne wiederkam.
«Moin, Moin, da komm ich ja gerade rechtzeitig!»
Jade drehte sich um und sah ihren Onkel vor sich stehen. Gut sah er aus, total erholt und noch viel brauner als vorher!
«Moin, Arne!», rief sie. «Wir haben uns schon Sorgen gemacht. Du hattest ja gar kein Handy dabei.»
Die beiden umarmten sich, dann küsste er seine Mutter in ihrem neuen E-Rollstuhl.
«Moin Mama, was hast du denn da?»
Imke gab mit einem Handhebel Vollgas und fuhr ihn fast um. Mit Höchstgeschwindigkeit drehte sie eine halsbrecherische Runde auf dem Rasen, um dann wieder passgenau an ihrem Essplatz zu landen.
«Meinst du, damit kommt sie im Verkehr klar?», fragte Arne besorgt.
«Das wird sich finden», raunte Jade.
«Wenn sie losfährt, sollten wir auf jeden Fall eine Warnung im Verkehrsfunk durchgeben.»
Imke verzog ihr Gesicht zu einer beleidigten Fratze.
«Wo warst du?», fragte Jade. «Paris? Mailand?»
«Sowohl als auch. Erzähle ich später.»
«Das Paradies ist in den letzten Tagen gut gelaufen», konnte sie stolz vermelden.
«Trotz der Aufrüstung im Palace?»
«Ich habe die Schülerdisco mit meinen Mädels am Strand heftig beworben. Natürlich in Konkurrenz zu Susannes Zettelverteilern. Aber einige Touri-Kinder finden trotzdem den Weg zu uns.»
Ihr Onkel zog eine Augenbraue hoch und grinste.
«Mehr als ein Dutzend?»
«Zugegeben, das Island Palace hat bestimmt zwei Drittel weggefischt. Trotzdem reichte es für ein kleines Plus auf unserem Konto, mit Tendenz nach oben! Einigen ist das Palace schlicht und einfach zu teuer.»
«Sehr gut!» Er tauchte ein Stück Brot in das Chili. «Und was steht heute Abend an?»
«Schülerdisco, für die Älteren. Für die sollten wir übrigens über Bubble-Tee nachdenken.»
«Was ist das denn schon wieder?»
«Ein schwachsinniges Modegetränk. Aber alle Jüngeren mögen es.»
«Was brauchen wir dafür?»
«Ein paar Geräte, die kaufe ich von meinem Anteil.»
«Und du meinst, das rechnet sich?»
«Mitte des Sommers müssten wir damit in die Gewinnzone kommen.»
Jade deutete auf ihre Armbanduhr.
«Wir müssen vorne aufschließen, einige Schüler kommen immer pünktlich um acht.»
«Danke noch mal für die Auszeit», sagte Arne leise.
«Hey, wir sind Partner! Irgendwann revanchiere ich mich mal.»
«Jederzeit.»
Sie gingen einmal ums Haus herum, um aufzuschließen. Als sie um die Ecke bogen, trauten sie ihren Augen nicht: Arnes sämtliche Freunde und Stammgäste standen unter der Kastanie auf dem kleinen Platz vorm Erdbeerparadies, darunter Barni, Jan und Ralle, die Jungs von den Sturmflut-Wölfen. Es waren ungefähr dreißig Leute, alle älter als vierzig. Sie hatten sich vor dem Eingang der Disco aufgebaut und hielten Plakate hoch: «Wir sind das Volk», «Wir wollen rein!» und «Ü40 heißt nicht tot!» Ein Fotograf des «Inselboten» sprang begeistert um sie herum und schoss ein Foto nach dem anderen.
«Was ist denn hier los?», stammelte Arne.
«Das ist eine Ü-40-Demo», erklärte Barni. «Weil du ja nur noch an die Jungen denkst.»
«Das ist Quatsch, das wisst ihr genau.»
«Es gibt nicht nur Teenies!», rief jemand.
«Das ist das Ende», murmelte Arne ihr zu. Die Situation überforderte ihn sichtlich. Der Reporter vom «Inselboten» wollte einen O-Ton von ihm haben, aber er fühlte sich vollkommen überrumpelt und wusste nicht, was er sagen sollte.
«Was soll ich bloß tun?», rief er ihr zu.
Jade
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