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Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Oma 04 - Omas Erdbeerparadies

Titel: Oma 04 - Omas Erdbeerparadies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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mitnahm: kein Handy, nichts zu lesen, keine Taschenlampe. Er wollte keine Zeit verlieren und hatte sein Ziel klar vor Augen. Hamburg oder Kopenhagen reizte ihn tatsächlich sehr – aber ein anderes Mal.

    Eine halbe Stunde später stand er auf dem Vorderdeck der Fähre nach Amrum, die sich am Föhrer Südstrand vorbeischob. Dass es immer noch regnete, störte ihn nicht. Der Vorteil an diesem Wetter war, dass die meisten Touristen in ihren Ferienwohnungen blieben und er kaum einer Menschenseele begegnete. Am liebsten hätte er zur Nachbarinsel den Fußweg durchs Watt genommen, aber sie hatten seit zwei Stunden auflaufendes Wasser, das hätte er nicht geschafft.
    Früher waren Barni, Malte und er öfter mal hinüber nach Amrum gewandert, hatten in der legendären «Blauen Maus» in Wittdün – die übrigens ähnlich eingerichtet war wie das Erdbeerparadies – ausgiebig gefeiert. Mit der nächsten Ebbe waren sie dann wieder zurückgegangen. Nach einer durchzechten Nacht war es nicht gerade das, was Wattführer empfahlen. Aber es war immer gutgegangen. Der Fitteste übernahm das Kommando und schleifte die anderen notfalls mit. Wenn sie drüben angekommen waren, waren sie wieder nüchtern.
    Lange Zeit hatten Amrumer und Föhrer eine gewisse Animosität untereinander gepflegt, was er nie so richtig verstanden hatte. Zumal das Amrumer «Ömrang»-Friesisch dem «Fering» sehr ähnlich war. Nur die Sylter konnte keiner verstehen. Für Arne waren Amrum und Föhr zwei hochattraktive Schwestern, die eifersüchtig miteinander konkurrierten – was an ihrer beider Schönheit nichts änderte. Föhr war seine Heimat, dort war er geboren und aufgewachsen, aber Amrum war seine heimliche Geliebte. Die Nachbarinsel war der wilde Part der nordfriesischen Inselfamilie, mit dem Kniepsand, der bis zu zwei Kilometern breit war. Föhr hatte vieles, aber das nicht. Wenn er Schöpfer dieses Planeten gewesen wäre, hätte er beide Inseln zusammengelegt und sie zum Paradies auf Erden erklärt. Immerhin hatte die Landesregierung schon vor Jahren einen Schritt in diese Richtung unternommen und das gemeinsame Amt Föhr-Amrum gegründet …

    Als Wittdün vor ihm lag, huschte ihm ein Lächeln übers Gesicht. Föhr war nur noch als Silhouette zu erkennen, und er fühlte sich kurz wie auf einem anderen Kontinent. Obwohl Nebel und Norddorf mit ihren alten Friesenhäusern pittoresker aussahen als die Inselhauptstadt, war er ein großer Wittdün-Fan. Irgendwie wirkte es auf ihn frecher und ehrlicher. Die Südspitze von Amrum war erst Mitte des vorletzten Jahrhunderts besiedelt worden, um dem Tourismus einen Platz zu geben, der den Rest der Insel moralisch nicht verderben sollte. Diesen Versuch musste man wohl heute als gescheitert ansehen …
    Er schulterte seinen Rucksack und ging von Bord. Eigentlich wollte er sofort los, aber ohne ein Stück Kartoffelwaffel mit Lachs und Sour Cream in der «Kaffeeflut» ging es dann doch nicht. Seit es das Café gab, gehörte es für ihn zum Ankunftsritual auf Amrum. Bei dem anhaltenden Regen war der Innenraum natürlich proppenvoll, also beschloss er, seine Waffel draußen zu essen – zusammen mit einem älteren Amrumer in einem Tweedjackett, der den Regen ebenso wenig fürchtete wie er. Der Mann war bestimmt siebzig und hätte mit seinem weißen Bart den Vorzeigefriesen auf jeder Postkarte geben können. Irgendwie kam er ihm bekannt vor. Wo hatte Arne ihn bloß schon mal gesehen? Natürlich, er hatte früher auch in der Blauen Maus gefeiert!
    «Du kommst doch von drüben, oder?», grummelte der Mann jetzt, ohne zu lächeln.
    «Jo.»
    Er strich sich nachdenklich durch den Bart.
    «Ganz von Föhr?»
    «Wir haben seit kurzem ja Reisefreiheit.»
    Der Mann stierte auf seine Tasse Kaffee.
    «Bei uns dauert das noch, kannst nichts machen. Hin und wieder büxt mal einer aus, aber selten.»
    «Und selber? Schon mal rübergemacht?»
    Der Mann sah Arne an und nickte.
    «Ich bin mit einer aus Wyk verheiratet», raunte er. «Aber das darf hier keiner wissen.»
    Dann schwiegen sie zusammen im Regen und fühlten sich richtig wohl. So sah eben Wiedervereinigung auf Friesisch aus.
    Als Arne seine Waffel bezahlt hatte, erhob er sich und stiefelte über der oberen Wandelbahn am Rand der Dünen an den Strand. Vom Föhrer Standpunkt aus war das ein Hochwanderweg, man blickte von hier über den riesigen Kniepsand zum Meer, das weit in der Ferne lag. Der Regen hatte aufgehört, nun kam Wind in fünf bis sechs Stärken aus

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