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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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– und nun würde es bald neues Leben bei den Riewerts geben! Mit seinem Nachwuchs würde der Stab in der Familie weitergereicht. Er selbst rückte eine Generation weiter nach hinten, genau wie alle anderen in der Familie auch. Sönke drehte das Radio an, ein dänischer Sender war zu hören, der Moderator erzählte kichernd eine Geschichte, von der Sönke zwar nichts verstand, die aber wie Musik in seinen Ohren klang. Danach wurde ein Uralt-Titel von Roxette gespielt:
Listen to your heart
. Das war die erste CD gewesen, die er sich von seinem eigenen Taschengeld gekauft hatte. Damals war er elf gewesen. Sönke sang alle Strophen laut mit, und es gelang ihm gar nicht mehr runterzukommen. Eigentlich war dies die komplett falsche Stimmung für das ernste Gespräch, das ihm bevorstand.
    Als er den Ortseingang von Dunsum erreichte, traute er seinen Augen nicht. Seine Oma kam ihm leicht schwankend auf der Straße entgegen. Sie trug ihren alten roten Hosenanzug, der in der Landschaft leuchtete wie ein Warnsignal. Schritt für Schritt kämpfte sie sich voran. Sönke hielt sofort an und schaltete die Musik aus. Obwohl sie ihm gestern Abend am Telefon versichert hatte, dass sie mindestens vierundzwanzig Stunden schlafen würde, sah sie müde und matt aus. Im letzten halben Jahr war sie sehr gealtert, da gab es nichts zu beschönigen. Das Schlimme daran war: Man konnte nicht mehr damit rechnen, dass es noch mal besser wurde. Ihre gemeinsamen Touren nach Amsterdam, Berlin oder Venedig würden sich nicht wiederholen lassen, sie waren nichts als Erinnerungen, wenn auch besonders schöne. Der Raum, in dem seine Oma sich bewegen konnte, wurde immer enger und würde schließlich dem eines kleinen Kindes ähneln. Als Sönke aus dem Wagen sprang, erwischte ihn sofort eine frische Windböe, was ihm guttat.
    «Na, Oma, trainierst du gerade?», rief er fröhlich.
    «Meine Zwischenzeiten sind ziemlich im Keller», grummelte Imke mit einem Lächeln.
    Er nahm seine Oma in den Arm. «Moin erst mal. Hü gungt et?»
    «God.»
    Was stark übertrieben sein durfte.
    «Soll ich dich im Wagen mitnehmen?» Es waren zwar nur hundert Meter bis zum Haus, aber immerhin.
    Imke schüttelte den Kopf und deutete auf sein Auto. «Bis ich mich bei dir auf den Sitz gepult habe, laufe ich die Strecke dreimal hin und zurück.»
    Also parkte Sönke den Wagen an der Straßenseite und hakte sich bei seiner Oma unter. «Ist Christa zufällig da?»
    «Ja, aber sie kann nicht mit dir sprechen.»
    Das kam ziemlich schroff.
    «Wieso nicht?»
    Oma sah ihn prüfend von der Seite an: «Willst du mit ihr über mich schnacken?»
    Sönke wurde heiß und kalt: erwischt!
    «Sie ist immerhin deine Pflegerin, und ich soll mich offiziell um deine Angelegenheiten kümmern.»
    Dass er der Vormund seiner Oma war, erwähnte er nicht gerne. Aber jetzt blieb ihm nichts anderes übrig.
    Imke blieb stehen und holte tief Luft. «Weißt du, warum ich auf dieser blöden Straße laufe und nicht auf dem Deich?»
    «Nein.»
    Sie sah die Straße hinunter. «Weil ich es nicht mehr schaffe, den Deich hochzukommen. Ich glaube, die haben den nur gebaut, um mich vom Watt fernzuhalten.»
    «Klar, warum auch sonst?» Sönke lachte.
    Oma schüttelte den Kopf. «Ich kann nicht mal mehr abhauen, wenn ich tüdelig werde. So sieht es aus. Also mach dir keine Sorgen.»
    «Ich will trotzdem mit ihr reden. Sie soll dich unterstützen, wo sie nur kann. Und wo ihr das nicht möglich ist, organisieren wir Hilfe von außen.»
    «Du kannst Christa gerade nicht sprechen», wiederholte Oma energisch und hielt ihren Enkel am Arm fest.
    «Warum nicht?»
    Sie ließ ihren Blick bedeutungsvoll zum Horizont schweifen: «Lass uns einen kleinen Umweg machen, aber unauffällig …»
    Sönke hielt das für eine schlechte Idee, denn Oma konnte nicht mal eben einen Umweg machen. Doch sie ließ sich nicht davon abbringen und lotste ihn zu dem Maisfeld, das direkt gegenüber vom Haus lag. Die Blätter der mannshohen Pflanzen und die schweren Früchte schlugen ihnen gegen Gesicht und Bauch, Oma steckte das erstaunlich gelassen weg. Bald standen sie an einem Punkt, von dem aus sie auf die Vorderseite des Hauses blicken konnten. Ein irrsinnig lautes Fiepen war zu hören, schlimmer als ein startendes Flugzeug. Oma zog ein kleines Fernglas aus ihrer Jacke und drückte es Sönke in die Hand.
    «Ich habe meine Brille nicht dabei, schau du lieber.»
    Sönke blickte durch das Fernglas.
    «Was siehst du?», löcherte sie ihren

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