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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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Christas Hand nähme. Dies war ja noch ein sehr keuscher Gedanke, aber schon der versetzte ihn in blankes Entsetzen. Natürlich musste es nach dem Ständchen irgendwie weitergehen, und auch das lag jetzt an ihm. Andererseits: Wenn Christa ihn zurückwies, würde für ihn alles zusammenbrechen, die WG und sein Leben. Wenigstens wusste sie seit gestern Bescheid über seine Gefühle. Wirklich? Oder könnte sie sein Lied auch als nette Geste werten und nicht mehr?
When a man loves a Woman
hätte für sie genauso
Yellow Submarine
sein können? Einfach nur ein schöner Song?
    Auf den ersten Blick taten sie beide so, als sei alles wie immer.
    Und auch wieder nicht.
    Ocke nahm genau wahr, was Christa tat oder vorhatte. Er war zur Stelle, wenn sie etwas brauchte, eine Taxifahrt etwa, ein aufmunterndes Wort oder ein Stück Schokolade. Und sie war irgendwie immer dort, wo er sich aufhielt, in der Küche, auf der Terrasse. Aber das konnte auch Einbildung sein.
    «Wollen wir etwas spielen?», fragte Christa.
    «Bist du wahnsinnig?», sagte Imke mit geschlossenen Augen. «Mir wäre es jetzt schon zu anstrengend, einen Würfel in die Hand zu nehmen.»
    «Reden?», fragte Christa.
    «Worüber?»
    «Ein Wortspiel vielleicht? Dafür brauchen wir keine Würfel.»
    «Viel zu aufregend. Ich möchte nur noch dumpf sein.»
    «Ocke?»
    Ocke hätte gerne mit ihr gespielt, aber er fühlte sich befangen. Wenn er die Augen öffnete, schaute er auf Christas Bauchnabel, der bei jedem Atemzug bebte, ihre sinnlichen Lippen, den wundervollen Busen, nicht zu groß, nicht zu klein. Ein Spiel, bei dem er mitdenken musste, war in seinem Zustand eine komplette Überforderung.
    «Danke, nein», brummte er.
    Verdammt, jetzt hielt Christa ihn für einen Spielverderber, er hatte es endgültig vergeigt. Um sich nichts anmerken zu lassen, summte er leise die Melodie der Muppet Show. Und staunte nicht schlecht, als Christa sofort mit ihrem glockenhellen Sopran einstimmte:
    Jetzt tanzen alle Puppen,
    macht auf der Bühne Licht!
    Macht Musik bis der Schuppen
    wackelt und zusammenbricht!
     
    Und dann ahmten sie unisono den knödeligen Tonfall von Kermit, dem Frosch, nach: «Die sensationellteste, fabelhaftellteste, blödelhaftellteste, muppetionellteste – ja jetzt kommt die super Muppet Show!»
    «Wie geht das Lied noch mal weiter?», rief Imke amüsiert.
    Bevor jemand eine Antwort geben konnte, stand der blonde Bernd, ihr Postbote, auf der Terrasse.
    «Moin!»
    Bernd hielt ein Päckchen und einige Briefe in der Hand. Er war ungefähr fünfzig und trug seit den siebziger Jahren immer dieselbe Frisur: lange blonde Koteletten, die dünnen Haare halb über die Ohren. Das Einzige, was sich verändert hatte, war sein Gewicht, das jedes Jahr etliche Kilo nach oben gegangen war. Ocke kannte ihn noch als spitteligen Teenager in Badehose, bei dem jede Rippe unter der Haut zu erkennen war, das konnte sich heute niemand mehr vorstellen.
    «Moin, Bernd», grüßte Ocke und kam mühsam hoch. «Willst du ’nen Eistee? Oder Bier?»
    Bernd überlegte nicht lange: «Biä? Gähnä.»
    Er setzte sich an den großen Tisch, um den herum alle Liegen postiert waren. Ocke stand auf und reichte Bernd eine Flasche, die neben seiner Liege gestanden hatte und sogar noch einigermaßen kühl war. Bernd legte die Post auf den Tisch und blickte neidisch in die Runde.
    «Euch geht das bestens, was?»
    Ocke zuckte mit den Achseln.
    «Wir kommen zurecht. Und selber?»
    Bernd verzog das Gesicht.
    «Dr. Behnke meint, bei der Post sollten wir wieder umstellen auf Fahrräder.»
    Bernd kam immer mit einem knatternden Diesel-Lieferwagen.
    «Wieso das denn?», frotzelte Christa. «Bis du die Briefe aus Wyk mit dem Rad bei uns in Dunsum hast, ist längst Sonnenuntergang.»
    Bernd sah sie beleidigt an.
    «Wenigstens im Winter», schwächte Christa ab.
    «Aber Umwelt dankt», sagte Imke.
    Jetzt rieb Bernd sich seinen kugelrunden Bauch: «Nee, der Dokter meint das nicht wegen die Natur, sondern wegen meine Blutwerte.»
    «Ärzte sind immer viel zu streng», beruhigte ihn Ocke.
    Bernd schöpfte sofort Hoffnung. «Meinst du?»
    «Guck dir Dr. Behnke doch mal an mit seiner runden Plauze, ist der ein Vorbild?»
    Bernd nickte. «Diät ist auch kein Leben, ich sag euch das!»
    Ocke lachte: «Schon mal ausprobiert?»
    «Kurz. Ist aber nicht mein Ding.»
    Und so plauderten sie noch ein bisschen weiter, abwechselnd über Diäten und Schlemmereien, dann musste Bernd los. Die Post blieb erst einmal unbeachtet auf

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