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Oma dreht auf

Oma dreht auf

Titel: Oma dreht auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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dem Tisch liegen. Seit überwiegend Rechnungen und kaum noch persönliche Nachrichten kamen, waren Briefe kein besonderes Ereignis mehr. In dem einzigen Päckchen befand sich die neue Ultraschall-Zahnbürste, die Ocke für Christa im Internet bestellt hatte. Das hatte Zeit, sie lehnten sich wieder zurück und genossen die Sonne.
    «Summertime …», summte Christa, und Imke fiel mit geschlossenen Augen ein: «… and the living is easy.»
    Irgendwann nahm Ocke dann doch den ersten Brief und riss ihn mit seinen schmalen Fingern auf. Zuerst sagte er gar nichts, dann starrte er nach oben.
    «Nein!», rief er. «Verdammt.»
    Imke und Christa hatten sich gerade eingesungen und wirkten ein bisschen sauer, dass er sie unterbrach.
    «Was ist denn?», fragte Imke.
    «Wir sind gekündigt worden!»
    Christa und Imke schossen synchron von ihren Liegen hoch: «Was?»
    Ocke hielt den Brief hoch.
    «Petersen kündigt wegen Eigenbedarf, er will in dieses Haus einziehen.»
    Ocke reichte Christa den Brief, die das hochoffizielle Schreiben Wort für Wort las.
    «Das ist seine Rache für das Siel», stöhnte sie.
    «Welches Siel?», fragte Ocke.
    Christa winkte ab. «Und jetzt?»
    «Ich würde sagen, das ist ein Fall für unseren WG -Anwalt», sagte Imke.
    «Der da wäre?» Ocke war schleierhaft, wie sie einen Anwalt bezahlen sollten.
    Imke schaute ihn verständnislos an: «Na …?»
    Ocke überlegte eine ganze Weile, dann war der Groschen gefallen.
    «Bösinger? Meinst du das ernst?»
    «Kennst du einen anderen?»
    «Du weißt nicht, was der kostet …»
    Imke grinste: «Da mach dir mal keine Sorgen, der schuldet mir noch was. Aber das weiß er noch nicht.»
    Ocke hatte natürlich geahnt, dass die Bösingers nicht freiwillig krumme Seehunde am Strand verkauft hatten. Zumal das Strafverfahren gegen sie anschließend wie durch ein Wunder eingestellt worden war.
    «Hast du die Bösingers rausgehauen?»
    Imke winkte ab. «Bin ich der Polizeipräsident, oder was?»
    Doch Ocke kannte sie zu gut, als dass er ihr Dementi glauben konnte. Er fragte aber nicht weiter nach.
    «Wir müssen uns wehren!», sagte Christa.
    «Ach, Leute wie Petersen sitzen doch immer am längeren Hebel», seufzte Ocke resigniert.
    «Ausgerechnet Stefan», hielt Christa dagegen, «dieses Weichei!»
    Das hörte Ocke natürlich gerne.
    «Es wäre schlimm, wenn wir unsere WG auflösen müssten», sagte Imke betrübt.
    «Wer redet denn davon?», munterte Christa sie auf. «Bösinger wird uns da raushauen.»
    Ocke war da nicht so sicher. «Ob der vor Gericht so schnell ist wie an der Gitarre?»
    Alle mussten lachen. Imke bat Christa, von ihrem Schreibtisch die Visitenkarte zu holen, die Bösinger ihr gegeben hatte.
    «Dr. jur. Friedrich Bösinger», murmelte Christa, als sie zurückkam.
    «Der große Fritz», blödelte Ocke.
    Imke stand auf, nahm das tragbare Telefon und verschwand damit in Richtung Marsch. Ocke und Christa sahen sich an. Wollte Imke das im Alleingang lösen? Als sie zurückkam, blickten sie Ocke und Christa erwartungsvoll an.
    «Wir können jederzeit zu ihm kommen, er ist noch auf Amrum.»
    «Geht das nicht telefonisch?», nörgelte Ocke. Er hatte eigentlich keine Lust, dem Mondgesicht noch mal persönlich zu begegnen.
    «So was bespricht man lieber von Angesicht zu Angesicht, es ist zu wichtig.»
    «Meint ihr wirklich, er ist der Richtige?», fragte Ocke.
    «Als Anwalt wünscht man sich einen Pitbull, der seine Beute nicht loslässt, sobald er einen Fitzel davon zu fassen bekommen hat», sagte Imke. «Und Bösinger ist so einer.»
    «Zumindest sieht er aus wie ein Pitbull», rutschte es Ocke heraus. Als Christa und Imke darüber lachten, tat er so, als sei er ehrlich über seine Worte erschrocken: «Das meine ich gar nicht so!»
    «In Ordnung», erklärte Christa. «Dann fahre ich mit Ocke zu ihm. Imke, du wirst dich ein bisschen schonen. Wir regeln das.»
    «Das hier ist auch mein Zuhause, ich will dabei sein», protestierte Imke und fügte beleidigt hinzu: «Außerdem ist Bösinger
mein
Anwalt!»
    «Mensch, Imke, erst auf die Fähre und dann in den Bus nach Norddorf, das ist viel zu anstrengend», mahnte Christa. Womit sie vollkommen recht hatte.
    Schließlich hatte Imke die rettende Idee: «Lasst uns mit dem Taxi auf die Fähre fahren. Ich bezahl das auch.»
    «Einverstanden», sagte Ocke. Wenn er fuhr und Christa neben ihm saß, konnte Imke es sich hinten bequem machen.

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    23. Dr. Pitbull
    Eine halbe Stunde später

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