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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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jederzeit mit dir machen.»
    «Und jetzt?»
    «Erst war es wie Knast, aber jetzt geht es.» Ich blicke sie unauffällig von der Seite an. Sie sieht nachdenklich aus. «Und du? Du bist was Großes geworden, habe ich gehört. Manager, oder so?», fragt sie.
    Ich schaue sie melancholisch an.
    «Eher oder so.»
    «Wie nennt sich das genau?»
    «Eventmanager.»
    «Weite Welt, was?»
    «Du kennst dich da aus?»
    Maria verzieht keine Miene: «Ich verhafte manchmal solche Leute, da lernt man immer dazu.»
    «Mein Job ist aus dem fleischverarbeitenden Gewerbe hervorgegangen», erkläre ich ihr. «Der Metzger, der die Wurstplatte fürs Fest lieferte, kannte immer jemanden, der Musik machen konnte, sein Kumpel aus dem Kegelverein stiftete ein paar Bierfässer, und seine Frau stellte Vasen mit Blumen auf. Heute nennt sich das ganze Eventagentur, statt Wurst gibt es Sushi und Hummer, und den Filterkaffee hat man durch Latte Macchiato ersetzt. Das, was ich mache, heißt dann ganz wichtig ‹Eventmanager›, früher war das im Prinzip der Oberkellner.»
    «Schenken Sie mir bitte noch einen ein?», grinst Maria und deutet auf ihr leeres Glas. Ich gieße ihr Wein nach und beichte, dass ich vor ein paar Tagen meinen Job verloren habe. Die Geschichte mit Katharina Gehling lasse ich allerdings aus.
    Das alles liegt so weit weg, dass ich beim Erzählen das Gefühl bekomme, es sei einem Freund und nicht mir selbst passiert.
    «Wie lange willst du denn auf der Insel bleiben?», will Maria wissen.
    Fragt sie das einfach nur so?
    Was ist, wenn ich ihr jetzt sage, dass ich morgen fahre und dies unser letzter Abend für lange Zeit ist?
    «Erst mal muss ich das mit dem Haus regeln, das habe ich Oma versprochen. Ansonsten zieht mich gerade nichts zurück nach Hamburg.»
    Sie zeigt weder Freude noch Erleichterung.
    «Na, ’ne vernünftige Wohnung hast du ja schon mal.»
    «Du bist meine Rettung, Maria.»
    Der Wein schmeckt unglaublich gut, und plötzlich fühltsich alles so leicht an. Vor allem kann ich endlich mal loslassen: Job, Haus, spielt alles gerade keine Rolle. Ich bin hier bei Maria, das zählt.
    Wir schauen uns in die Augen.
    Weder sie noch ich weichen aus.
    Ich stelle mir vor, wie es sich wohl anfühlt, sie zu küssen, da senkt sie den Blick hastig auf ihre Armbanduhr: «Oh.»
    «Was ist?»
    Sie springt auf.
    «Ich muss los», stöhnt sie.
    «Hast du Dienst?»
    Maria zögert einen Moment: «Nee, ein Blind Date.»
    Was?
    «Auf der Insel?»
    Sie schaut zur Seite.
    «Wieso nicht?»
    «Ich denke, hier kennt jeder jeden?»
    «Mach dir keine Sorgen, das kriegen wir trotzdem hin.»
    Sie schnappt sich eine Jacke und schlüpft barfuß in ein Paar Sneakers.
    Ich fühle mich wie ein abgestrafter Junge.
    «Du weißt ja, wo alles steht.»
    «Ja», brumme ich genervt, was sie überhört.
    «Bis denn.»
    Schon ist sie draußen.
    Unglaublich. Was denkt sie sich eigentlich?
    Eine Weile warte ich noch, dass sie wiederkommt und irgendetwas erklärt, aber das passiert nicht.
    Andererseits: Warum ärgere ich mich eigentlich über Maria? Es ist doch immer dasselbe mit ihr. Selbst schuld, dass ich jedes Mal wieder auf sie hereinfalle.
    Ich weiß noch, unsere letzte Begegnung fand vor zehnJahren statt. Es war ein hochsommerlicher Sonntag, mein Geburtstag, und plötzlich stand Maria in ihrem damals nagelneuen Mini One vor der Tür. Es war eine dieser Überraschungen, die man sich insgeheim für seinen Geburtstag erhofft, die sich aber normalerweise nie ereignen. Zumindest nicht an Geburtstagen. Ich schlug vor, in ein Parkcafé zu gehen, um dort anzustoßen, aber Maria hatte andere Pläne und fuhr mit mir statt in den Park direkt zu einem karminroten, vierstöckigen Kaufhaus.
    Meine vorsichtigen Proteste überhörte sie einfach.
    Schon das Schaufenster schreckte mich ab. Dort waren Fotos von Azubis ausgestellt, die im Winter durch die nordische Wildnis kriechen, um die Produkte der Firma auszuprobieren. Neben der Kasse hing ein großflächiges Plakat, auf dem für einen Dia-Vortrag geworben wurde: «Oimjakon – der kälteste bewohnte Platz der Erde. Hier wurden 71,2   Grad gemessen. Eine nach Süden abschließende Bergkette verhindert den Zufluss wärmerer Luftmassen in den sibirischen Ort.»
    Ich würde dafür spenden, dass die armen Bewohner schnellstens von dort evakuiert werden, aber für die Kunden von Globetrotter schien es eine Art Gütesiegel zu sein. Arktistaugliche Anoraks und grobes Schuhwerk, das auch bei minus vierzig Grad nicht einfriert, halte

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