Oma ihr klein Häuschen
Idyll.»
Maria nickt und geht mit mir hinaus.
Kaum stehen wir vor dem Haus, richtet sich ein greller Scheinwerfer direkt auf uns, sodass ich das Gefühl habe, auf der Stelle zu erblinden. Maria stürmt mit gesenktem Kopf auf den Kameramann zu und schiebt ihn vom Grundstück. Von der Seite wieselt mein Freund, Bürgermeister Brodersen, mit seinem Bernhardinerkopf in meine Richtung.
«Du siehst ja selbst, so geht das nicht weiter «, schimpft er. «Wenn ihr nicht renoviert, lasse ich das Haus abreißen.»
«Cord hat Widerspruch vor Gericht eingelegt, das muss erst verhandelt werden», bluffe ich.
«Es wird ihm nichts nützen», blufft Brodersen zurück, «Cord war immer ein schlechter Verlierer.»
«Bitte keine Anekdoten mehr von früher.»
Auf die wilde Geeske und Ähnliches kann ich jetzt gut verzichten. Außerdem hat mir Arne vorhin erzählt, dass Brodersen gar kein echter Insulaner ist, sondern aus Flensburg stammt
«Du verkennst, dass wir in Nieblum Bestandsschutz haben», schimpft er.
Ich schaue ihm direkt in seine gierigen Bernhardineraugen: «Ihr solltet Cord jeden Tag tausend Euro Honorar zahlen.»
«Bist du übergeschnappt?»
Langsam geht mir sein Tonfall wirklich auf den Geist. Eigentlich wäre es an der Zeit, ihn mal so richtig anzuschreien. Brodersen braucht das einfach. Aber der Tag war lang, und ich bin einfach zu müde, um laut zu werden.
Ich zeige ihm meinen BlackBerry mit dem Bericht über die Hausbesetzung: «Morgen ist Nieblum deutschlandweit in allen Zeitungen. Hausbesetzung im Wattenmeer, das wird eine super Schlagzeile.»
Auf Föhr gibt es tatsächlich eine mehr oder weniger versteckte Wohnungsnot für Normalverdiener, denn alle verfügbaren Räume werden an Touristen vermietet, und das bringt ein Vielfaches der normalen Mieteinnahmen. Wahrscheinlich werden Journalisten das Thema mächtig aufbauschen – worüber sollten sie sonst schreiben?
Brar Brodersen ist ehrlich entsetzt, worüber ich mich sehr freue: «Ist das echt?»
Ich lächele: «Alle Medien werden darüber berichten.»
«O Gott!»
«Ein Glücksfall für Nieblum, das könnten Sie als Werbekampagne gar nicht bezahlen.»
«Waas?»
«Nebenbei werden Sie erwähnen, wie idyllisch es hier ist. Nieblum wird in aller Munde sein.»
Er kapiert wirklich sehr langsam, dieser Global Player.
«Aber das ist doch Quatsch», argumentiert er, «genau genommen ist Cord Hausbesitzer und kein Besetzer.»
«Müssen die Journalisten das wissen?», raune ich ihm zu. Wenigstens Nieblum bekommt die Schlagzeilen. Die Reporterwerden das idyllische Dorf auf der Nordseeinsel Föhr haarklein beschreiben.
Jetzt schaltet er endlich durch: «Aber nicht, dass Cord heute Nacht aufgibt, er muss noch ein bisschen durchhalten.»
«Dafür sorge ich.»
Plötzlich ist er ganz auf meiner Seite, im Grunde waren wir ja immer Freunde: «Ich hatte gehofft, dass einer von euch Riewerts mal vernünftig wird.»
Und eine Hand wäscht die andere, mein lieber Freund.
«Dafür wird der Abrisstermin um ein Jahr verschoben.»
Schon gerät unsere zarte Freundschaft in eine kleine Krise.
«Was? Niemals!»
Ich werde ein klein wenig lauter: «Dann lass uns das Ganze sofort beenden.» Und rufe in Richtung Haus: «Coord!»
Wohl wissend, dass der mit vier Schlaftabletten tief schläft und mich nicht hört. Der Kameramann eilt mit seinem Tonmann auf uns zu.
Brar Brodersen fasst mich am Ellenbogen: «Ein halbes Jahr.»
Schon in meiner Schulzeit habe ich davon geträumt, einmal im Leben in einer solchen Position zu sein. Auch wenn es im Grunde nur eine Dorfposse ist: «Neun Monate.»
«In Ordnung.»
Wir geben uns die Hand, und ich weiß, das gilt.
Eine Dauerlösung ist es natürlich nicht, denn dafür brauchen wir nach wie vor Omas Stimme. Aber der Aufschub entspannt die Lage schon mal erheblich.
«Was sagen Sie zu den Ereignissen hier?», löchert eine Reporterin den Bürgermeister.
«Ich bin sehr besorgt», verkündet er, «wir werden alles tun, um Ausschreitungen zu verhindern.»
«Sind denn Ausschreitungen zu befürchten?», bohrt die Reporterin nach.
«Darüber darf ich aus Sicherheitsgründen keine Angaben machen.»
Sehr gut, Brodersen, das wird sie in Trab halten.
«Werden Autonome aus Hamburg und Berlin erwartet?»
«Mal weg mit der Kamera», schnaubt Brodersen. Dann wendet er sich ganz leise an die Reporterin: «Morgen brennen hier vermutlich die Reetdächer. Aber von mir haben Sie das nicht.»
Was Umgang mit Medien anbelangt, ist Brodersen ein
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