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Oma ihr klein Häuschen

Oma ihr klein Häuschen

Titel: Oma ihr klein Häuschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janne Mommsen
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rede ich kurz mit Oma und bin eine halbe Stunde später auf dem Weg nach Hamburg.
    Christa sitzt wie immer auf ihrem Stuhl und trägt Regenhose und einen grünen Poncho. Sie war beim Friseur, ihre Haare sind kürzer als letztes Mal.
    «Moin», sage ich, klappe den Stuhl auf und setze mich neben sie auf die Deichkrone.
    Christa schaut weiter in Richtung Horizont: «Moin, Moin.»
    Zwei Möwen setzen sich auf die Deichkante und veranstalten dabei einen Höllenlärm. Lieber Gott, hättest du denen nicht schönere Stimmen einbauen können? Das hätte dich nicht mehr als ein Augenzwinkern gekostet. Das Nieseln geht langsam über in einen handfesten Regen. Christa schweigt beharrlich, hält die Kamera in der Hand und überlegt wohl, wann sie ihr tägliches Foto macht.
    «Mal Butter bei die Fische», beginne ich, «wie war das mit Omas Motorbootführerschein?»
    Christa fürchtet wohl, dass ich sie mir jetzt vorknöpfen will – und genau das habe ich auch vor. Es ist ihre Pflicht, uns zu beruhigen. Schließlich machen wir uns alle, ausnahmslos, Sorgen um Oma. Auch wenn das momentan vielleicht das Einzige ist, was uns verbindet.
    «Bitte?»
    «Wozu hat Oma den gemacht?»
    «Keine Ahnung.»
    «Glaube ich dir nicht.»
    «Dann nicht.»
    «Hör mal zu, Christa, wenn du schweigst, ist das schon schlimm genug. Aber dass du lügst, ist unverzeihlich.»
    Mein forscher Ton verstört sie: «Ich lüge?»
    «Christa! Du bist ihre beste Freundin. Ihr seht euch jeden Tag. Da hat Oma dir nicht erzählt, wozu sie ein Motorboot braucht?»
    Schweigen.
    «Also ja!»
    Christa nimmt ungerührt die Kamera hoch und drückt auf den Auslöser. Meine Worte scheinen vollständig an ihr abzuperlen. Ich beschließe, dass die Zeit der Diplomatie vorbei ist, und reiße ihr die Kamera aus der Hand.
    Sie schaut mich erschrocken an: «Her damit!»
    Ich halte die Kamera demonstrativ hoch, wie bei einem Kinderspiel.
    «Wo ist Oma?»
    «Die Kamera!»
    Christa kann mich mal.
    «Wo ist Oma?», wiederhole ich erheblich lauter.
    «Willst du mich erpressen?»
    «Ja.»
    «Das hätte ich nicht von dir gedacht, Sönke.»
    «Und wennschon.»
    «Lächerlich», brüllt sie.
    «Wir sind in großer Sorge, die ganze Familie», brülle ich zurück.
    Sie hält die Lautstärke: «Es ist nichts!»
    Ich schleudere ihre Kamera in hohem Bogen in Richtung Deichkante. Wenn sie kaputtgeht, soll sie sich bei mir melden. Wütend springe ich auf mein Fahrrad und fahre den Deich landeinwärts hinunter. Wahrscheinlich starrt mir Christa gerade hinterher, als wäre sie dem Teufel persönlich begegnet.
    Natürlich ist es total ungerecht.
    Christa kann nichts für meine schlechte Laune, ich sollte umdrehen und mich entschuldigen. Aber irgendwie bringe ich es nicht über mich. In diesem Moment nähert sich auf dem Wirtschaftsweg hinter dem Deich ein Taxi und hält direkt vor mir an. Es regnet inzwischen in Strömen. Der Fahrer sieht aus wie ein friesischer Fischer: blaues, grobes Hemd mit feinen hellen Streifen und Prinz-Heinrich-Mütze, weißer Vollbart. Allein die Ray-Ban-Sonnenbrille auf der Mütze passt nicht ins Klischee.
    Den kenne ich doch.
    Klar, das ist der Taxifahrer, der mich am ersten Tag von der Fähre nach Nieblum gefahren hat. Mir fällt ein, dass Christa eben kein Fahrrad dabeihatte, wahrscheinlich ist es kaputt. Um ihr tägliches Foto fürs Internet zu machen, hat sie sich wohl mit dem Taxi hierherfahren lassen, und jetzt holt sie der Fahrer wieder ab. Obwohl er keine Regenkleidung trägt, scheint ihm das Wetter nichts auszumachen.
    «Moin, Riewerts», sagt er gutgelaunt, als er aus seinem uralten Mercedes aussteigt. Ich bin beeindruckt, er erinnert sich noch an mich.
    «Moin.»
    Er reicht mir seine riesige Hand und stellt sich vor: «Ocke.» Dabei wirft er den Kopf leicht in den Nacken und blinzelt mich an: «Na, Brodersen hast du ja mächtig aufgescheucht.»
    Sogar mein Streit mit dem Bürgermeister ist schon auf der Insel rum?
    «Wat mutt, dat mutt.»
    Ocke lacht.
    Ich überlege: Wenn Christa den Taxifahrer kennt, kennt Oma ihn vermutlich auch. Vielleicht weiß er, wo sie ist. Aber selbst wenn, wird er wahrscheinlich dichthalten wie alleanderen auch. Probieren kann man es trotzdem mal: «Hast du meine Oma Imke auch öfter mal gefahren?»
    «Jo.»
    «Und wohin das letzte Mal?»
    Ocke kratzt sich am Bart: «Bist du jetzt der Hilfssheriff von Maria?»
    «Wieso?»
    Er sieht mir direkt in die Augen: «Na ja, wenn du schon bei ihr wohnst   …»
    Das ist nicht wahr, oder? Hocken

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