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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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über seine Tante absolut nichts hatte in Erfahrung bringen können. Die Verwalterin im Metropol konnte ihm definitiv sagen, daß keine Miss Lavinia Baker bei ihr registriert war. Da sie weder Anweisungen besaß noch etwas davon hielt, Auskünfte zu geben, um die nicht ausdrücklich gebeten wurde, sagte sie ihm nicht, daß Miss Baker bis zum Vormittag desselben Tages im Metropol gewohnt hatte.
    Als Humphrey um eine Liste der anderen Hotels in Moskau und um ihre Telefonnummern bat, sagte man ihm, er solle sich an Intourist wenden, wo ein Dolmetscher die Auskünfte für ihn einholen werde.
    Im Intourist-Reisebüro kam er wieder nicht weiter. Wie sich herausstellte, hätte er den Dolmetscher vierundzwanzig Stunden vorher bestellen müssen.
    «Aber wie sollte ich ihn denn vierundzwanzig Stunden vorher bestellen?» beschwerte Humphrey sich mit Recht. «Ich bin doch erst heute morgen in Moskau angekommen.»
    «Sie hätten es in Ihrem Telegramm erwähnen müssen.»
    «Aber ich wußte doch nicht, daß ich einen Dolmetscher brauchen würde», sagte Humphrey geduldig.
    «Es tut uns leid. Alle englischen Dolmetscher haben mit Delegationen,
    Geschäftsleuten und Reisegruppen zutun. Vielleicht morgen- oder auch schon heute abend, wenn sie von ihren Einsätzen zurückkommen...»
    Humphrey versuchte es mit verbissener Geduld, Bestechung, Argumenten — gegen Abend sogar mit einer sehr echt ausfallenden Darstellung eines Mannes, der sich zum Äußersten getrieben fühlt. Aber keiner dieser Versuche hatte die geringste Wirkung.
    Als er sich auf den Weg nach Zimmer 308 machte, um Manuel Ferreira sein Wechselgeld zurückzubringen, erkannte er endlich den Wert der freundlichen und hilfsbereiten Neugier, die ihm an diesem Tage von ausländischen Zufallsbekanntschaften entgegengebracht worden war.
    Manuel Ferreira lag ausgestreckt auf der Spitzenüberdecke seines hohen, altmodischen Eisenbettes; er hatte die Schuhe ausgezogen, der Tisch neben dem Bett war mit Papieren übersät, und in bequemer Reichweite stand ein Flasche Cognac.
    «Herein», rief er, ohne aufzustehen; aber er zeigte seine Freude über den Besuch, indem er sofort eine freundliche Unterhaltung begann.
    «Ah, mein so englischer Freund. Ich habe einen sehr anstrengenden Tag hinter mir, und ich bin zu alt, um mit den Russen Geschäfte zu machen. Nächstes Jahr werde ich meinen Sohn mitnehmen. Er ist ungefähr so alt wie Sie, glaube ich, und es wird Zeit, daß er lernt, unsere Korken zu verkaufen. Ich habe zwar noch die Geduld und die Entschlossenheit dazu, aber man braucht auch viel Kraft.»
    Er seufzte, nahm einen Schluck Cognac und bat Humphrey, sich zu setzen. Da die vorhandenen Stühle schon durch offene Koffer besetzt waren, ließ sich Humphrey vorsichtig auf dem Bett nieder, zögerte einen Augenblick und äußerte dann, daß Mr. Ferreira wahrscheinlich zu müde sei, um sich seine Probleme anzuhören und ihm Ratschläge zu erteilen.
    «Aber nein», rief Manuel Ferreira, richtete sich begeistert auf und schwang seine Beine über den Bettrand, wo sie auf seltsame Weise etwa dreißig Zentimeter über dem Boden hin und her baumelten.
    «Wie ich Ihnen beim Mittagessen ja schon sagte, hat mein Problem nichts mit Geschäften zu tun», sagte Humphrey. Er ließ sich von Manuel Ferreira, der ganz Ohr war, einen Cognac einschenken und begann mit der Saga von Miss Baker. Manuel hörte aufmerksam zu. Seine klugen, freundlichen Augen waren fest auf Humphreys Gesicht gerichtet, und er wartete wachsam auf einen Wink, eine beiläufige Bemerkung, die ihm den Schlüssel zu Humphreys Charakter geben könnten.
    «Ich verstehe nur einen Teil», sagte er schließlich und füllte die Gläser nach. «Sogar in Portugal begegnen uns manchmal solche Miss Bakers. Es sind immer ältere, unverheiratete Engländerinnen, die Rad- oder Fußwanderungen machen wollen. Sehr auffällige und malerische Gestalten. Vor dem Krieg gab es mehr von ihnen - manche ziemlich grimmig. Ich kann also verstehen, warum Miss Baker in Moskau ist. Und ich sehe auch ein, daß Sie in Sorge um sie sind, weil sie Ihre Tante ist und Sie gern möchten, daß sie nach Hause zurückkommt. Aber das wird sie schließlich sowieso tun; warum machen Sie sich die Mühe, sie abzuholen?»
    «Ja wissen Sie», begann Humphrey verlegen. «Mein Vater hat das Gefühl -»
    «Oho, jetzt verstehe ich. Ihr Vater ist wahrscheinlich ein bedeutender Mann. Ein Parlamentsmitglied?»
    «Nein, nein», wehrte Humphrey ab. «Nichts dergleichen.»
    «Aber Sie

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