Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
Vom Netzwerk:
besonders an einem interessiert ist und man stundenlang herumsitzt und Zeit verschwendet?»
    «Aha», murmelte der Portugiese, und seine Augen wurden schmal vor Mitgefühl. «Ist das bei Ihnen der Fall? Nun, in einem Jahr passierte mir dasselbe. Dann entdeckte ich durch Zufall, daß sie daran dachten, von jemand anders billigere Korken zu kaufen. Meine Korken sind die besten und billigsten auf der Welt, aber in ihrer Unschuld dachten sie, sie könnten es vorteilhafter haben. So etwas macht mich sehr böse - an der Nase herumgeführt zu werden, wie Sie sagen. Folglich reiste ich ganz plötzlich ab, ohne einen Vertrag zu schließen. Und sie versuchten, Pappkorken zu nehmen und ohne mich auszukommen. Ho, ho.» Er brach in Gelächter aus beim Gedanken daran. «Sie nehmen sie noch für die Wodkaflaschen, aber - ho, ho - für den Wein waren sie verhängnisvoll.
    Als ich im nächsten Jahr zurückkam, war alles ganz anders. Als ich ankam, sagte ich gleich, ich könne nur vier Tage bleiben; ich müsse viele Besuche machen, und der Vertrag müsse an dem und dem Tag unterzeichnet sein. Und es wurde alles gemacht, wie ich sagte. Die Russen können mit Schüchternheit und Höflichkeit nichts anfangen. Wenn Sie etwas haben wollen, müssen Sie gleich mit viel Lärm und Großspurigkeit an der Spitze anfangen. Wo Sie in England oder Frankreich oder Portugal mit einem kleinen Angestellten verhandeln würden, müssen Sie hier gleich zum Kommissar selbst gehen.»
    Er lachte wieder und zog aus seiner abgetragenen ledernen Brieftasche eine kleine weiße Karte hervor.
    «Wenn Sie also einen Rat brauchen, mein Freund, zu welchem Kommissar Sie wegen Ihrer Sache gehen sollen, dann biete ich Ihnen meine Hilfe an. Hier ist meine Karte. Ich habe Zimmer 308 und bin dort bis Donnerstag.»
    Humphrey nahm die Karte und las: «Senhor Manuel Diaz Ferreira, Korkenhersteller und Pflanzer, 48 Avenida Excola Politécnica, Lissabon.»
    Da dies die auf dem Kontinent übliche Art der Vorstellung zu sein schien, murmelte Humphrey entschuldigend, daß er keine Karten bei sich habe, aber daß er Humphrey Napier heiße.
    Sie beendeten ihre Mahlzeit mit einer Diskussion über Madam Tussauds Wachsfigurenkabinett, das Mr. Ferreira vor ein paar Jahren in London besucht hatte; und gerade als Humphrey, bei dem es lange dauerte, bis er sich eine Meinung über einen Menschen gebildet hatte, zu dem Schluß gekommen war, daß sein neuer portugiesischer Freund ein sehr angenehmer und wirklich hilfsbereiter Mann war, zog Mr. Manuel Diaz Ferreira eine sehr große und reich verzierte goldene Uhr aus der Tasche und erhob sich mit einem leisen Schreckensruf von seinem Stuhl.
    «Ich habe eine Verabredung um drei Uhr und muß sofort ein Taxi nehmen. Ich achte immer auf Pünktlichkeit, wenn ich mit meinen russischen Kollegen zu tun habe. Es ist hier die einzige Möglichkeit, erfolgreiche Geschäfte abzuschließen. Aber wo ist unser Kellner? Na, macht nichts, Sie können meine Rechnung in Ordnung bringen.»
    Er hatte schon seinen Stuhl unter den Tisch geschoben, als er den leise zweifelnden Ausdruck auf Humphreys Gesicht sah. Er hielt sofort in seiner Flucht aus dem Restaurant inne und lachte laut.
    «Aha, der korrekte Engländer - immer so mißtrauisch gegen diese unzuverlässigen Ausländer. Keinem über den Weg trauen, besonders wenn er von der andern Seite des Kanals kommt. Aber ich bezahle, mein Freund, ich bezahle.»
    Er warf einen Hundertrubelschein auf den Tisch und hastete, immer noch tolerant lachend, aus dem Restaurant. Humphrey blieb geschlagen zurück.
    Nicht daß er Mr. Ferreiras Ehrlichkeit angezweifelt hätte - und hundert Rubel waren weit mehr als der Preis des Essens -, aber ihn ergriff echt englisches Entsetzen, wenn man ihn auf diese Art und Weise aufzog. Den verräterischen Gesichtsausdruck, den Manuel Ferreira mit solcher Wonne aufgespießt hatte, hätte ein taktvoller Engländer übersehen. Außerdem wäre es in London undenkbar, eine Rechnung von jemand, den man zufällig kennengelernt hatte, zahlen zu lassen und ihm die Mühe zu machen, einem das Wechselgeld nachzutragen.
    Er entschloß sich, Senhor Manuel Ferreira das Geld vor dem Abendessen auf sein Zimmer zu bringen, nachdem er seine Suche nach Miss Baker erfolgreich beendet haben würde und die weitaus schwierigere und langwierige Aufgabe in Angriff genommen hatte, sie zur gemeinsamen Heimkehr zu überreden.
    Aber um acht Uhr mußte sich Humphrey nach einem erschöpfenden Nachmittag eingestehen, daß er

Weitere Kostenlose Bücher