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Oma klopft im Kreml an

Oma klopft im Kreml an

Titel: Oma klopft im Kreml an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Telscombe
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war aber nicht ganz das, was Humphrey sich vorgestellt hatte. Aber er konnte nicht viel daran ändern. Man riet ihm, sich in das Gästebuch in der Halle einzutragen, da der Botschafter im allgemeinen jeden, der das tat, zum Essen einlud. Humphrey erwiderte, er hoffe, nicht mehr als ein paar Tage in Moskau zu bleiben.
    Den Rest des Vormittags verbrachte er damit, ein sehr teures, aber nicht sehr hoffnungsvolles Telegramm an seinen Vater zu schreiben und abzusenden, in dem er nachfragte, ob Tante Lavinia vielleicht zufällig schon zu Hause sei.
    Er war sehr zufrieden mit sich selbst, daß er das Hauptpostamt allein fand und dort seine Wünsche erfolgreich Vorbringen konnte. Er erinnerte sich an Jackies Kleinkinder-Russisch und wiederholte an verschiedenen Schaltern mit fester Stimme «Telegramma» und «London», bis er an die richtige Stelle verwiesen wurde.
    Nun begann eine Zeit geduldigen Wartens für Humphrey, die ihm endlos vorkam, in Wirklichkeit aber nur ein paar Tag i dauerte. Jeden Morgen rief er bei der Botschaft an und sprach mit dem jungen Vizekonsul, der ihm versicherte, daß er ständig nachfragen werde, daß er seine Zimmernummer habe und sich mit ihm in Verbindung setzen werde, sowie die Antwort da sei. Dann schlenderte er durch die Straßen, ging in einige Museen und kehrte zum Mittagessen ins Hotel zurück.
    Die Abende waren das Schwierigste. Manchmal ging er wieder ins Hotelrestaurant oder machte einen Spaziergang im Park. Er dachte öfter an das englische Mädchen vom ersten Tag und bedauerte, daß er so stark mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt gewesen war und sie nicht nach ihrem Namen gefragt hatte, denn dann hätte er sie jetzt anrufen können, um etwas mit ihr zusammen zu unternehmen. Er erinnerte sich an ihre frische, heitere Art, für die er an jenem Morgen nicht recht empfänglich gewesen war; aber seitdem er Moskaus schwere und ernste Atmosphäre kennengelernt hatte, hatte er das Gefühl, daß so etwas sehr erfrischend sein könnte.
    Er nahm an, daß sie zum Botschaftspersonal gehörte, und sah sich bei der Cocktail-Party des Vizekonsuls nach ihr um. Aber obwohl dort viele junge Mädchen waren, fand er doch keine mit derselben sprudelnden Neugier und dem lebhaften Interesse an einem völlig Unbekannten. Außerdem schien jede schon zu jemandem zu gehören.
    Schließlich fragte er Manuel Ferreira nach ihr. Mr. Ferreira schien jeden in Moskau zu kennen oder von ihm zu wissen, aber Humphreys etwas schwerfällige Beschreibung erregte nur flüchtiges Interesse bei ihm. Er zuckte die Schultern, gab Humphrey einen freundlichen Rippenstoß und bemerkte witzelnd, sein junger Freund solle doch seinen Besuch in Moskau nicht auch noch durch so etwas komplizieren.
    «Ich dachte, Sie suchen eine sehr alte Dame», spottete er, «und nun scheinen Sie außerdem auch eine sehr junge Dame verloren zu haben. Ah, mein Freund, Sie sind wohl der Typ, der mit allen Altersstufen Schwierigkeiten hat.» Und er entschwand unter lautem Gelächter.
    So blickte Humphrey ihm mit einigem Mißtrauen entgegen, als er eines Tages nach dem Mittagessen auf ihn zugeeilt kam. Mr. Ferreira hatte in einem andern Teil des Restaurants zusammen mit einem großen, etwas ungepflegt aussehenden jungen Mann gegessen, der jetzt seinen schnellen Schritten in gemäßigterem Tempo folgte.
    Doch es stellte sich heraus, daß Mr. Ferreira nur auf Wiedersehen sagen wollte. «Ich kann Moskau nicht verlassen, ohne Ihnen Lebewohl zu sagen, mein lieber Freund. Sie sind immer noch ohne Nachricht? Wie schade, denn ich habe meine Geschäfte bis zum letzten Korken abgeschlossen und werde heute abend abfliegen. Jetzt möchte ich Sie aber mit einem Landsmann von Ihnen bekannt machen, der Sie genauso gut beraten wird wie ich. Das also ist Mr. Humphrey Napier, der, wie ich Ihnen sagte, seine Tante sucht; das ist Mr. Ferguson, ein Zeitungskorrespondent.»
    Wenn Mr. Ferreira Humphreys konsterniertes Gesicht bemerkte, so achtete er weiter nicht darauf. Stewart Ferguson jedoch sah es mit Vergnügen und schloß, daß hinter diesem unschuldigen Bekanntmachen ein anderes Motiv steckte. Stewart hatte Humphrey mit einem Blick durchschaut - ein nichtssagender, konventioneller junger Mann -, und war nur bereit, ihm zu helfen, weil Manuel darauf bestand.
    «So lasse ich Sie in guten Händen», sagte Mr. Ferreira. «Ich kenne Mr. Ferguson seit mehreren Besuchen in Moskau, und er ist wie ich Fachmann dafür, wie man etwas erreicht.»
    «Danke», sagte Humphrey

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