Oma klopft im Kreml an
vielleicht schon nach Hause abgereist», sagte er beruhigend.
«Oder sie ist vielleicht in einen andern Teil der Sowjetunion gereist», sagte Humphrey weniger hoffnungsfreudig. «Die Sache ist, wie finde ich das heraus?»
Mr. Ferreira reichte Humphrey nur bis zur Schulter, aber als er einen Schritt zurücktrat und ihn mit seinen klugen braunen Augen musterte, hatte Humphrey das Gefühl, als werde er von einer unendlichen und weisen Höhe her betrachtet. Es war ein spöttischer Blick, ein wenig enttäuscht, mit einer Andeutung von Ungeduld.
«Wissen Sie, was ich tun würde, wenn ich Ihr guter, ehrbarer englischer Vater wäre?» rief Mr. Ferreira plötzlich aus. «Ich würde Ihnen Geld geben, nur ein bißchen - sagen wir einmal zehn Pfund -, und ich würde Ihnen befehlen, loszufahren und sich damit in einem halben Jahr um die Welt zu bringen. Und wenn Sie zurückgekommen sind - denn ich bin , ganz sicher, daß Sie zurückkommen würden; alle Engländer machen eine Sache gut, wenn sie sich erst einmal dazu entschlossen haben -, dann würde ich mich zurückziehen und Ihnen mein Geschäft übertragen. Aber, mein Freund, Sie brauchen diese sechs Monate, um erst einmal zu Í lernen, wie man allein weiterkommt. »
«Es tut mir leid, wenn Sie den Eindruck haben, daß ich mich sehr ‘ dumm anstelle», sagte Humphrey alles ist so ungeheuer wirr, weil ich kein Wort Russisch kann.»
«Als ich zum erstenmal herkam, konnte ich auch kein Wort Russisch. Ich konnte kein Englisch, als ich zum erstenmal nach England fuhr. Es kommt darauf an, wie Sie an eine Sache herangehen, nicht auf das, was Sie », sagte Mr. Ferreira weise. «Ich gebe Ihnen jetzt einen letzten Rat, und dann müssen Sie anfangen, allein weiterzumachen.
Morgen gehen Sie zu Ihrer Botschaft - hier, ich schreibe Ihnen die Adresse in Russisch auf, damit Sie sie dem Taxichauffeur zeigen können -, und von dort wird man das Außenministerium anrufen und fragen, ob Miss Baker ihr Ausreisevisum benutzt hat und abgereist ist. Wenn sie das nicht getan hat, wird man genau wissen, wo sie ist. Rußland ist nicht wie England wo Ausländer unbemerkt kommen und gehen können. In Moskau wird über jeden Ausländer Buch geführt. Vielleicht wird es eine Weile dauern, bis man Ihnen Bescheid geben kann, aber erfahren werden Sie es auf jeden Fall.»
Er streckte Humphrey plötzlich seine Hand entgegen.
«Jetzt sage ich gute Nacht. Ich mache noch einen kleinen Spaziergang vor dem Schlafengehen. Sie sind ein vernünftiger Junge, aber phantasielos. Sie müssen lernen, ein bißchen weniger höflich zu sein und ein bißchen mehr die Ellenbogen zu gebrauchen. Deshalb ist es am besten, wenn ich Ihnen nicht mehr helfe. Wir sehen uns im Restaurant; wieder.»
Er gab Humphrey einen freundlichen Klaps auf den Rücken, winkte fröhlich und trottete auf seinen kurzen dicken Beinen rasch durch die Halle. Humphrey starrte ihm mit einer Mischung von Ärger und Dankbarkeit nach. Alles, was Mr. Ferreira gesagt hatte, klang wohlwollend und aufrichtig, und doch wünschte Humphrey, es wäre ungesagt geblieben. Er hatte das Gefühl, ein Schuljunge zu sein, der von seinem Lehrer gemaßregelt wurde.
Trotzdem warf er trotzig die Schultern zurück, während er auf den Lift wartete, und er war gleichzeitig beschämt und erfreut über sich selbst, als er die Stockwerksverwalterin anfuhr, weil sie seinen Zimmerschlüssel nicht gleich finden konnte.
9
Obgleich Humphrey durchaus die Absicht hatte, beim Umgang mit Ausländern im allgemeinen und Russen im besonderen Manuel Ferreiras Rat zu befolgen, hatte er doch das Gefühl, daß dieses Vorgehen bei seinen eigenen Landsleuten nicht angebracht war.
So verlangte er also nicht gleich aufbrausend den Botschafter selbst, als er am nächsten Vormittag in die Botschaft kam. Er fragte ganz bescheiden nach dem Konsul. Da der junge Mann in dem winzigen Zimmerchen, in das man ihn daraufhin schickte, kaum in den Zwanzigern zu sein schien, war Humphrey sehr im Zweifel, ob er nicht einen noch niedrigeren Dienstgrad erwischt hatte.
Der junge Mann jedoch zeigte sich sehr energisch und hilfsbereit und schien die Situation ganz in der Hand zu haben. Er versprach, daß sich die Botschaft mit dem Sowjetministerium in Verbindung setzen werde, und bereitete Humphrey darauf vor, daß die Antwort auf sich warten lassen könne. Dann fragte er ihn, wie das Wetter in England sei, und lud ihn zu einer Cocktail-Party ein.
Alles ging sehr freundlich und zivilisiert vor sich,
Weitere Kostenlose Bücher