Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
Vom Netzwerk:
fünfzehn Jahren angehört.«
    »Der alte grüne«, erklärte Mama.
    Es klingelte weiter. Oben, auf meinem Bett.
    Ha!
    Falls Paul dachte, ich würde nach einem ganzen Tag des Schweigens sofort angelaufen kommen, wenn er sich endlich meldete, dann täuschte er sich gewaltig. Ich nicht! Spontan fiel mir was Besseres als frische Luft ein.
    »Ich könnte einen Schnaps zur Verdauung gebrauchen«, sagte ich zu Papa. Und um zu vergessen, dass Paul nicht hier bei mir war und mit seinem großen Lachen unseren kleinen Streit bereinigte.
    Papa nickte und holte die Flasche Köm unten aus dem Küchenschrank hervor. Wieder ohne aufzustehen. Papa war sehr groß und sehr gelenkig.
    Die Gläser holte ich und lauschte dabei unauffällig in Richtung Blackberry. Es war verstummt. Gut so.
    »Ich weiß nicht recht«, murmelte Irene, als ein volles Schnapsglas vor ihr stand.
    Kluge Frau, hatte ja so gut wie nichts gegessen.
    »Wir bestehen darauf!« Grete hob ihr Glas. »Auf einen schönen Urlaub.« Ihre Augen funkelten wieder. »Und auf die Freundschaft. Bei uns ist es üblich, dass wir uns mit unseren Gästen duzen.«
    Ach ja? War mir neu.
    Tapfer kippte Irene ihren Köm und bot Grete das Du an.
    »Musst du mit den anderen aber auch machen. Ist ein alter Brauch.«
    Irene wurde blass. Fünf anwesende Familienmitglieder, fünf volle Schnapsgläser.
    Von dem alten Brauch hatte ich auch noch nie was gehört. Ob sie es schon bereute, mir zufällig über den Weg gelaufen zu sein? Oder absichtlich? Hatte sie mir eigentlich schon erklärt, warum ihr Schatten durch Nordergellersen gehuscht war, während Rüdiger in Lüneburg Höllenqualen litt?
    Nee.
    Ich kippte einen Köm auch ohne Duzfreundschaft.
    Irene war gerade mit Mama beschäftigt, die behauptete, mit ihr müsse sie zweimal trinken. Denn sie heiße nicht nur Heidi, sondern auch Bodhi. Das sei ihr buddhistischer Name und bedeute Erwachen. »Und mein Mann, der Olaf, der hat noch zwei weitere Vornamen. Nämlich Hermann und Heinrich nach seinem Vater und seinem Großvater.«
    »Oh.«
    Papa lachte. »Nur keine Panik, Frau Wedekind.« Er war noch beim Sie. »Die Damen meinen nicht, was sie sagen.«
    Meinten sie wohl!
    Heidi trank, Irene trank.
    Bodhi trank, Irene trank.
    Sie hätte sich ja auch weigern können. Eine erwachsene Frau musste sich nicht freiwillig abfüllen lassen. Offensichtlich lag ihr viel an der Verbrüderung mit uns Lüttjens’.
    Weil sie mir ein bisschen leidtat – und ich mir selbst auch –, hielt ich mit ihrem Kömkonsum fleißig Schritt.
    Nach einiger Zeit des Schluckens meinte Papa: »Irene, erzähl mal, warum du deinen Hund Rüdiger genannt hast.«
    Wäre jetzt nicht die erste Frage gewesen, die mir auf der Zunge lag.
    Irene hickste und grinste. Mannomann! Die war gleich hin.
    »So hieß meine erste große Liebe. Rüdiger Wolters. Er kam aus …« Ein weiterer Hickser verhinderte nähere Ortsangaben.
    Grete, Marie und Mama wirkten enttäuscht.
    Irene fing sich wieder. »Mein Rüdiger damals hatte auch so schöne braune Augen.«
    Wow! Ein Mann mit Kalbsaugen.
    »Ich war fünfzehn und er sechzehn. Wir haben uns sehr geliebt, aber dann …«
    Hicks. Wieder keine vernünftige Info, schien Mamas Blick zu sagen.
    »Na ja, dann haben wir uns aus den Augen verloren. Mir war … äh … was dazwischengekommen.«
    Während der letzten zwei Silben sackte sie in sich zusammen und knallte mit der Stirn auf die Tischplatte.
    Prima. War ich nicht mehr die Einzige mit einer Beule.
    Ihr Grünkohlteller stand ja nicht mehr vor ihr. Sonst wäre sie wenigstens weich gelandet.
    »Huch!«, rief Marie aus.
    »Kann nix vertragen«, meinte Grete.
    Papa stand auf und wies Mama an, Platz zu machen. »Ihr solltet euch was schämen. So geht man nicht mit Gästen um.«
    Sanft nahm er Irene auf den Arm.
    »Nele, geh mal voran und mach die Türen auf. Ich habe ihr das große Gästezimmer nach vorn raus gegeben.«
    Schwankend folgte ich seinem Befehl.
    Hinter dem alten Garderobenständer lugte Opa hervor. Er sah ein wenig angestaubt aus, fand ich, aber das mochte auch an den Hüten auf der Ablage liegen, die seit zwei oder drei Jahrzehnten niemand mehr trug.
    Ja, angestaubt. Oder aschig.
    »Wasch mascht du denn schon wieda hia?«, nuschelte ich.
    Opa schwieg.
    »Nele, mach hinne!«, sagte Papa. »Die Dame ist nicht besonders leicht.«
    Ich beeilte mich so gut ich konnte. Auf dem Rückweg war Opa nicht mehr da. Asche zu Asche, Staub zu Staub.
    Hm. Zeit fürs Bett.
    Papa zeigte auch schon mit dem

Weitere Kostenlose Bücher