Oma packt aus
gehört hätte.
»Nun krieg dich mal wieder ein.«
»Entschuldigung«, prustete er. »Mir kommt da was bekannt vor, aber was bloß?«
Weiter. Die Besucherin auf unserem Hof, der Grünkohlberg, die vielen Schnapsgläser, die Duzfreundschaft …
»Aufhören!«, flehte Jan. »Die Dame musste mit Heidi und Bodhi Brüderschaft trinken? Und mit Olaf, Hermann und Heinrich? Bitte sag …« Mehr ging nicht. Er brach vor Lachen erst mal zusammen. Es hörte sich jedenfalls an, als würde er in seiner leergeräumten Wohnung hilflos auf dem Boden herumkugeln.
»Nele«, japste er irgendwann. Ich war schon fast wieder eingeschlafen. »Wie hast du gesagt, heißt die Frau aus Hamburg?«
Hatte ich noch gar nicht. »Irene Wedekind.«
Das Prusten, Japsen und Kugeln hörte schlagartig auf.
»Aus Hamburg? Die Irene Wedekind?«
»Äh …?«
»Ich fasse es nicht.«
»Was denn?«
»Wenn ich das im Salon erzähle! Irene Wedekind auf dem Lüttjenshof. Das glaubt mir keiner! Beim Grünkohlessen! Und sturzbetrunken! Ach, Mist. Ich gehe ja gar nicht mehr in den Salon. Aber dann muss ich unbedingt ein paar Leute anrufen.«
»Jan, wovon zum Teufel redest du?«
»Fluchen ist unfein, Nele. Vor allem, wenn diese Dame in der Nähe ist.«
Ich zuckte mit den Schultern, was er nicht sehen konnte. »Die schläft bestimmt noch. Ist ja nicht geweckt worden. So wie ich.«
Jan überging elegant den leisen Vorwurf. »Und du weißt wirklich nicht, wer das ist?«
»Woher sollte ich?«
»Aber die kennt doch jeder!«
»Ich nicht.« Hatte ja auch die letzten dreizehneinhalb Jahre in München gelebt.
»Also, verfolgt hat die dich bestimmt nicht.«
»Ach nein? Und warum bist du dir da so sicher?«
»Ganz einfach: Die hat Wichtigeres zu tun.«
»Okay, und was zum Beispiel?«
Jan ließ ein Stöhnen über meine Unwissenheit vernehmen und klärte mich dann auf.
Anschließend war ich erst mal eine ganze Weile still. So was musste verdaut werden.
7. Was will die bloß von uns?
Ein kleiner Hoffnungsschimmer blieb mir noch. Irene Wedekind war kein ausgefallener Name. Vielleicht gab es ja mehr von der Sorte in Hamburg.
Genau!
Bei Hertha Kowalski war das auch so gewesen. Ganze dreihundertsiebenundfünfzig. Nie im Leben hätte ich die richtige Hertha ausfindig machen können. Nur weil die alte Dame so plietsch gewesen war, die Tupperdose zu öffnen und dabei den Prospekt vom Lüttjenshof zu finden, hatten wir Opas Asche wiederbekommen.
»Ist sie groß, blond, um die fünfzig, elegant und trägt eine diamantenbesetzte Cartier-Uhr?«, fragte Jan.
Die Diamanten hatte ich noch nicht entdeckt, aber der Rest stimmte.
Trotzdem. Es stolzierten ganz bestimmt noch mehr elegante Hamburgerinnen dieses Namens über den Jungfernstieg.
Aber einen zweiten Rüdiger gab es eben nicht.
No chance.
Sagte mein Bruder auch gerade. »Im Rathaus hat er vor ein paar Wochen einem Bundestagsabgeordneten eine Pralinenschachtel aus der Hand geschnappt, die für den Ersten Bürgermeister bestimmt war. Ich glaube, eine Meldung darüber stand sogar im Abendblatt. Die Verpackung hat er ihm wieder vor die Füße … ähm … gelegt.«
Da war Oma Grete ja in bester Gesellschaft.
»Es waren Cognacpralinen.«
Ich kicherte.
Ein besoffener Rüdiger im vornehmen Hamburger Rathaus. Nicht schlecht.
»Vier starke Männer waren nötig, um ihn da rauszuschaffen.«
»Ich sehe es vor mir.«
Hätte gern noch ein bisschen weitergekichert, aber dabei konnte ich nicht gut denken. Und ich musste jetzt dringend darüber nachdenken, was eine Frau wie Irene Wedekind auf dem Lüttjenshof zu suchen hatte: geschiedene Gattin eines Hamburger Senators, Eigentümerin von zwei Hotels in bester Lage, eines an der Binnenalster, eines in Blankenese. Zudem eine Säule der besseren hanseatischen Gesellschaft und Vorsitzende einer ganzen Reihe wohltätiger Vereine.
Jan schien es ähnlich zu gehen, denn wir schwiegen uns geraume Zeit intensiv zwischen meinem Blackberry und seinem Handy an.
Er kam zum selben Ergebnis wie ich – zu keinem.
»Mysteriös«, sagte er.
»Absolut.«
Mir fiel etwas ein. »Irene hat Rüdiger in einer Lüneburger Tierklinik behandeln lassen, weil es dort günstiger ist.«
»Ha!«, machte Jan, wie erwartet. »Wenn jemand keine Geldsorgen hat, dann ist es sie. Die Wedekinds sind seit zehn oder zwanzig Generationen Reeder. Die haben schon mit Fünfmastern Kaffee aus Brasilien über den Atlantik befördert, als andere Hamburger Flotten noch aus ein paar Ruderbooten auf der Elbe
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