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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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geworfen. Den Rest der Nacht war ich dann damit beschäftigt gewesen, den Umschlag mit einem zurechtgebogenen Drahtbügel wieder herauszufischen. Hatte geklappt.
    »Es tut mir leid«, sagte ich inbrünstig und konnte mich gerade noch davon abhalten, die Hände flehentlich zum Gebet zu falten.
    Too much.
    »Ich habe das alles nicht so gemeint. Ich schwöre!«
    In Pauls Blick lag leiser Zweifel, aber endlich kam er zu mir und drückte mich an seine Brust. Für einen Moment fehlten mir die Worte. Ich fühlte mich gut in seinen Armen. Wunderbar. Ruhig. Erleichtert.
    Aber …
    Tja, aber nicht ganz so gut, wunderbar, ruhig und erleichtert wie sonst. Mein Herz lahmte ein bisschen in seinem Galopp. Vielleicht brauchte es einen Umschlag mit essigsaurer Tonerde.
    »Irene Wedekind hat auf mich einen netten Eindruck gemacht«, sagte Paul, bevor ich an mir selbst eine Psychose diagnostizieren konnte.
    Andere Worte wären mir lieber gewesen. Aber nun gut.
    Musste halt nehmen, was ich im Moment kriegen konnte. Das mit uns würde sich wieder einrenken. Hundertpro.
    Sicher?
    »Ist sie auch«, sagte ich schnell und nahm mit der Nase eine große Portion Zedernduft und kanadischen Himmel auf. »Und ich verstehe überhaupt nicht, was die anderen gegen sie haben.«
    »Ja, merkwürdig.«
    »Andererseits …« Ich stockte.
    Wenn ich ihm jetzt erzählte, was ich bei ihrem Telefonat erfahren hatte, musste ich auch meine Spionagetätigkeit erklären. Fand ich schwierig. Pauls Meinung von mir war gerade nicht die beste.
    Andererseits – im Gegensatz zu mir und zu Jan war er ein kluger, rational denkender Mensch. Wenn überhaupt jemand das Rätsel lösen konnte, dann war es Paul. Also erzählte ich ihm alles und wunderte mich, dass ich die einseitigen Informationen so einwandfrei abgespeichert hatte. Vielleicht war ich ja klüger, als manche Leute dachten – sogar ich selbst. Nur meinen Verdacht sprach ich nicht aus. Kam mir auf einmal wieder zu verrückt vor.
    »Interessant«, meinte Paul, nachdem ich geendet hatte. Dann sagte er sehr lange gar nichts. Er dachte nach. Wir setzten uns dazu auf das schmale Sofa in seinem Büro, und ich nickte für ein Weilchen in seinen Armen ein.
    Als ich erwachte, lag ich immer noch an seiner Brust.
    »Und?«, fragte ich gespannt. »Weißt du jetzt, was Irene Wedekind von uns will?«
    Paul musterte mich lange. »Nicht mit Sicherheit.«
    »Aber du hast eine Ahnung?«
    »Könnte sein.«
    »Mach’s nicht so spannend, Paul! Was steckt wohl dahinter?«
    »Ich möchte keinen Verdacht äußern, der sich später möglicherweise als falsch herausstellt.«
    Ich seufzte. Zwecklos.
    Paul war Paul. Und er war Anwalt. Der riet nicht einfach drauflos, so wie Jan oder ich. Der klopfte ein Problem gründlich ab, stellte Nachforschungen an und gab erst dann seine Meinung bekannt, wenn er vollkommen sicher war. Hätte ich wissen müssen. Und vielleicht hätte ich ihm doch von meinem eigenen Verdacht erzählen sollen. Dann wäre ihm womöglich herausgerutscht, dass er dasselbe dachte.
    »Aber was soll ich denn jetzt machen?«
    Paul stand auf.
    Normalerweise hätte er mir einen Kuss gegeben, bevor er sich von mir trennte. Diesmal nicht.
    Verdammt!
    »Fahr nach Hause, Nele. Lass dich nicht verrückt machen. Behalte Irene im Auge und vertraue ansonsten ganz deinem Bauchgefühl.«
    Hm. Ausgerechnet Paul riet mir, auf mein Bauchgefühl zu hören. Das war jetzt aber mehr als merkwürdig. Mir wurde auf einmal klar, dass er ganz genau wusste, was los war. Oh ja, er dachte wirklich dasselbe wie ich. Aber er wollte nicht darüber reden.
    Vielen Dank auch für das Vertrauen, mein eventuell zukünftiger Ehemann!
    Ich stand auch auf und gab, nicht besonders freundlich, zurück: »Wie du meinst. Ciao.«
    Weg war ich.
    »Und pass auch auf Heidi, Grete und Marie auf«, rief Paul mir noch hinterher.
    Hm, Brunnenschacht und Knollenblätterpilz. Und von Mama vielleicht noch eine bewusstseinserweiternde Droge. Ich sah zu, dass ich aus der Stadt rauskam.
    Als ich auf den Hof fuhr, knurrte mein Magen. Kein Wunder, die Mittagszeit war bereits seit Stunden vorüber.
    Rüdiger kam auf mich zugerannt und warf mich eine Runde um.
    »Bei Fuß!«, rief Irene. Vergeblich, wie immer.
    Ich rappelte mich auf und versprach Rüdiger ein Stück Kuchen, das er kriegen würde, wenn er mich verschonte.
    Irene lachte und deutete auf meine Stirn, wo die Beule farbenfroh schillerte.
    Ihre auch.
    »Der neue Partnerlook.«
    »Tja, so sehen wir uns ein bisschen

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