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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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alle reingehen«, entschied er.
    Danke.
    In der Diele hockte Opa hinter dem Garderobenständer.
    Oha! Der sah aber sauer aus! Der funkelte richtig vor Wut.
    »Untersteh dich!«, zischte er mir zu.
    »Was denn?«
    »Du machst mir nicht die Familie kaputt. Du nicht!«
    »Was kann ich denn dafür?«
    »Nele!«, sagte Papa scharf. »Führst du neuerdings Selbstgespräche?«
    I wo.
    Ich klappte den Mund zu und öffnete ihn erst wieder, um ein Glas Wasser zu trinken, das Jan mir in der Küche reichte.
    Diesmal wurde Irene von niemandem eingequetscht. Sie saß mutterseelenallein auf einem Stuhl.
    »Eigentlich wollte ich erst mit Nele sprechen«, murmelte sie.
    »Zu spät«, entschied Papa.
    Mama nickte. »Wir wollen alle wissen, was los ist.«
    Grete durchbohrte Irene mit ihren Blicken. »In unserer Familie gibt es keine Geheimnisse.«
    Nicht die Bohne! Jan zog es vor zu schweigen. Ich auch. Marie sowieso.
    Irene holte tief Luft. »Es war die Meldung im Hamburger Abendblatt .«
    Alle schauten überrascht auf.
    »Was für eine Meldung?«, hakte Mama nach.
    »Na ja, die war sehr seltsam. Eine gewisse Aline G. hat einem Reporter erzählt, ihrer Nachbarin Hertha K. sei etwas außerordentlich Merkwürdiges passiert. Sie habe im ICE München–Hamburg die Tupperdose mit der Asche eines Verstorbenen an sich genommen und den armen Hermann L. dann zurück in die Lüneburger Heide gebracht.«
    Warum, fragte ich mich, können gewisse Nachbarinnen nicht einfach den Mund halten? Und wenn sie schon quatschen müssen, warum dann mit einem Reporter?
    Ich erinnerte mich sehr gut an Aline Grünlich. Der waren angesichts der leckeren Heidespezialitäten, die wir Hertha Kowalski als Dank für Opas Rückführung mitgebracht hatten, die Augen übergangen.
    »Ich habe dann sehr lange über diese Meldung nachgedacht. Erst glaubte ich, es könne sich dabei unmöglich um Hermann Lüttjens handeln. Aber dann habe ich ein wenig nachgeforscht und seine Todesanzeige gefunden. Und dann … nun ja, dann habe ich noch lange gezögert. Aber schließlich bin ich hergekommen. Bitte glaubt mir, ich will niemandem wehtun. Aber ich wollte mich wenigstens davon überzeugen, dass es meiner Tochter gut geht.«
    »Nach all den Jahren«, murmelte Jan. »Bisschen spät.«
    Mama runzelte die Stirn. »Hast du gedacht, hier werden die Familienmitglieder regelmäßig in Tupperdosen abgefüllt?«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Irene, klang aber nicht überzeugend.
    »Wir sind doch nicht plemplem«, ereiferte sich Grete und warf mir einen Blick zu. Mit einer Ausnahme, sollte das wohl heißen.
    »Mich würde interessieren«, sagte mein kluger Papa, »warum du dich erst nach so langer Zeit für unsere Tochter interessierst.«
    Ganz klar, er und Jan dachten in dieselbe Richtung. Erstaunlich für zwei so unterschiedliche Menschen.
    »Das stimmt so nicht«, gab Irene zurück. »Ich bin immer gut informiert gewesen. Ich wusste, wie es ihr ging und was sie so machte.«
    Hammer! Ich war mein Leben lang beobachtet worden? Und hatte nie was gemerkt?
    Doch, einmal. In München.
    Fiel mir gerade siedend heiß wieder ein. Da hatte ich einen Typen abgeschleppt, der mich ein ganz klein wenig an Karl erinnerte und der mir schon den ganzen Tag lang nachgelaufen war. Als ich ihn irgendwann fragte, was er von Beruf war, wollte er partout nicht mit der Sprache herausrücken.
    Ob unsere heiße Nacht auch in seinem Bericht gestanden hatte? Ich wurde im Nachhinein dunkelrot.
    »Aber ich habe mich nie in ihr Leben eingemischt«, erklärte Irene. »Wer A sagt, muss auch B sagen, hat mir mein Vater eingetrichtert.«
    War auch ein Lieblingsspruch von Opa gewesen. Ich mag einen anderen mehr, der stammt von Brecht: Wer A sagt, muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, dass A falsch war. Genial!
    »Was ich gern wissen möchte«, meldete sich Marie leise zu Wort, »ist, warum Nele damals zu uns gebracht worden ist.«
    Irene holte tief Luft.
    »Ich stamme aus Salzhausen.«
    Aha. Keine zwanzig Kilometer weg von uns.
    »Und ich habe einmal in den Schulferien hier auf dem Hof gejobbt.«
    »Deswegen bist du mir auch so bekannt vorgekommen«, behauptete Grete.
    Wer’s glaubte.
    »Und damals hab ich mitbekommen, wie sehr sich Heidi und Olaf ein Kind wünschten. Ich war schon schwanger, und da kam mir die Idee, mein Kind zu euch zu bringen.«
    »Und warum?«, fragte nun ich. »Warum konntest du mich nicht behalten? Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter.«
    Meine Stimme klang peinlicherweise ziemlich

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