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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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und bekam von Grete regelmäßig eins auf die Schnauze.
    Wenn ich es recht bedachte, hatte ich auch Hunger. Seit wir die italienische Grenze überquert hatten, ernährten wir uns von mitgebrachten Broten. Außer gestern Abend. Da hatte es in Pesaro Spaghetti mit Meeresfrüchten und anschließend eine riesige Fischplatte gegeben. Dazu Ofenkartoffeln und frischen Salat. Alle hatten kräftig zugelangt, nur Grete und Marie nicht.
    Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich.
    »Ihr könnt doch nicht eine Woche hungern«, hatte Jan gesagt. »Also auf jeden Fall nicht Großtante Marie.«
    »Was soll das heißen?«, hatte sich Grete empört. »Bist du etwa der Meinung, ich bin zu dick?«
    Jan war flott ins Lüttjens-Schweigen verfallen, während Marie ihm sanft über den Arm gestreichelt hatte.
    »Wir kommen schon zurecht. Mach dir keine Sorgen, mien Jung.«
    Jetzt erhörte Marie meinen knurrenden Magen und steckte mir zwei kalte Frikadellen zu.
    Ich bot Rüdiger eine an, aber der verzog die Lefzen. Selber schuld. Musste er eben hungern.
    Von Zeit zu Zeit glitzerte zu unserer Linken die Adria im Sonnenschein, und ich wartete auf so etwas wie ein Heimatgefühl. Aber da kam nichts. Meine Heimat war der Baggersee von Nordergellersen. Klein, tief, schwarz und saukalt.
    Gegen Mittag fuhren wir am Gargano, dem Stiefelsporn Italiens, vorbei, ließen Foggia hinter uns und näherten uns am Nachmittag Bari.
    »Wir bleiben vorerst an der Küste«, verkündete Papa, der auf dem Beifahrersitz die Landkarte studierte. »In Monopoli fahren wir dann ins Landesinnere.«
    »Monopoli!«, stieß Grete aus. »Was ist das denn für ein dummer Name?«
    Niemand antwortete ihr. Alle hatten ihre schlechte Stimmung gründlich satt.
    Wir fuhren bis Putignano und von dort direkt nach Alberobello. Als die ersten Häuser in Sicht kamen, schrie Grete erschrocken auf. »Ach du meine Güte! Jetzt bin ich in Schlumpfhausen gelandet.«
    Das nahm ich ihr übel. Okay, die Zipfelmützenhäuser, Trulli genannt, sahen ulkig aus, aber hier lag die Hälfte meiner Wurzeln, und ich ließ mir meine zweite Heimat von niemandem madig machen. Schon gar nicht von Grete.
    Einige der Trulli waren nicht größer als runde, weiß getünchte Ställe, andere waren viereckig und besaßen die Größe eines Einfamilienhauses mit zwei oder drei der typischen runden Dächer aus Naturstein darauf. Viele Anwesen bestanden aus mehreren Trulli, die sich um einen großen Hof herum gruppierten. Hier fanden ganze italienische Großfamilien Platz.
    »Halt mal dort an der Bar«, sagte Irene zu Jan. »Ich frage nach der Adresse der Occhipintis.«
    Alle stiegen sofort aus, um sich die Beine zu vertreten. Ich registrierte, wie die Leute stehen blieben und uns anstarrten. Einige bekreuzigten sich, andere schnatterten in schnellem Italienisch, wieder andere waren starr vor Staunen.
    Als nun auch noch Rüdiger aus dem Bus sprang, wich die Menge entsetzt zurück. Aber das Monster hatte es nicht auf die braven Pugliesi, die Einwohner Apuliens, sondern auf die Auslage einer Pasticceria gleich gegenüber abgesehen. Dort stand er nun, drückte sich die von Grete misshandelte Schnauze platt und starrte auf die köstlichen winzigen Küchlein. Ich erbarmte mich seiner, kaufte ein halbes Kilo Mignons und sah zu, wie alles ratzfatz in seinem Schlund verschwand. Die Bäckersfrau bekam den Mund nicht mehr zu, und die Leute draußen bekreuzigten sich gleich noch mal. Ein Monster, das Mignons fraß. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen.
    Irene rief uns alle zurück zum Wagen.
    »Es ist nicht weit von hier«, erklärte sie.
    Natürlich verfuhren wir uns trotzdem. Diese runden weiß gestrichenen Bauten mit den Kegeldächern sahen sich zum Verwechseln ähnlich.
    »Du wolltest ja kein Navi mitnehmen«, knurrte Jan.
    Papa hob entspannt die Schultern. »Ich habe einen ausgezeichneten Orientierungssinn. Da, halt mal, hier muss es sein.«
    War es aber nicht, und so kurvten wir noch ein Weilchen herum. Bis wir bei den Occhipintis ankamen, hatte sich die Nachricht von unserer Ankunft bereits zu ihnen rumgesprochen. Klatsch kursierte in Italien offenbar genauso schnell wie in Deutschland. Und so sahen wir uns einer italienischen Großfamilie gegenüber, die sich vor einem Anwesen von sechs oder sieben Trulli aufgebaut hatte und aus dem Staunen nicht mehr rauskam.
    »Mamma mia!«, rief eine ältere Frau.
    »I barbari!«, rief eine andere.
    Das verstand ich auch mit meinen eher rudimentären Italienischkenntnissen.
    So

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