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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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fuhr Irene fort. »Und ich kam zu dem Schluss, dass ich meine Tochter wenigstens einmal kennenlernen möchte, bevor es vielleicht zu spät ist.«
    Eine Weile sagte niemand etwas, aber ich spürte, wie sich die feindliche Stimmung ein ganz klein wenig legte.
    »Was mich noch interessieren würde«, begann Mama schließlich. »Warum hast du keine weiteren Kinder gekriegt? Ich meine später, als du dein Leben im Griff hattest.«
    Irene schlang einen Arm um Rüdiger, wie um sich festzuhalten. »Ich konnte keine mehr bekommen. Irgendwas war bei Neles Geburt schiefgegangen. Man hat es mir damals nicht genau erklärt. Und später sagten die Ärzte, da sei nichts mehr zu machen. Dabei haben Kurt und ich uns so sehr Kinder gewünscht.«
    Sie sah mir an, welche Frage ich stellen wollte, und kam mir zuvor. »Nein, eine Adoption war nicht möglich. Die Wedekinds pflanzen sich fort, die lassen kein fremdes Erbgut in ihre kostbare Familie.« Die Bitterkeit in ihrer Stimme verriet mir, wie viele Diskussionen sie damals geführt haben musste.
    Irene lächelte traurig. »Nun, für Kurt wendet sich alles zum Guten. Seine Verlobte Gaby erwartet Zwillinge.«
    Großer Gott! Da war es für Irene aber reichlich dicke gekommen.
    Täuschte ich mich, oder lag sogar in Gretes Blick ein Hauch von Mitleid?
    Ich täuschte mich. »Das Leben ist kein Zuckerschlecken«, erklärte sie. »Aber unsere Nele lassen wir uns trotzdem nicht wegnehmen.«
    Mann, Oma! Seit wann so anhänglich?
    »Schluss jetzt!«, dröhnte Papa von vorn. »Lasst uns über was anderes reden.«
    Es fiel bloß keinem was anderes ein, worüber es sich zu reden lohnte.
    Jan wühlte in einem Haufen unbeschrifteter CDs und steckte eine nach der anderen in den nachträglich eingebauten Player. Indische Weisen lullten uns ein. Als Schlaflieder waren die perfekt.
    Jemand rüttelte mich unsanft am Arm.
    »Aufwachen, Nele, wir sind da.«
    Was? In Italien? Hatte ich etwa drei Tage durchgeschlafen? Ich schaute aus dem Fenster.
    Und erstarrte.
    Vor mir erhob sich die barocke Fassade des Luxushotels Kiefers.
    »Was machen wir denn hier?«
    »Wir übernachten«, erklärte Jan.
    »Ausgeschlossen!« Ich war in einem Hippie-Kleinbus vorgefahren und sollte mit meiner durchgeknallten Sippe hier absteigen?
    Niemals!
    Das würde meinen Ruf in der Hotelbranche für alle Zeiten schwer schädigen. Und wer wusste schon, ob ich nicht eines Tages wieder auf Jobsuche gehen würde? Vielleicht hielt ich es ja nicht mehr lange aus auf dem Lüttjenshof, mit Paul in nur dreißig Kilometer Entfernung, mit Paul, der mich nicht mehr liebte.
    Paul!
    Zum Teufel mit meinem Ruf! Ich musste alles über Paul wissen. Sofort!
    Ich sprang aus dem Bus, rannte durch die Lobby und pflanzte mich vor Sissi auf.
    »Herzlich willkommen im Kiefers«, säuselte sie.
    »Lass den Quatsch. Was gibt’s Neues?«
    »Wir sind zu fünfundneunzig Prozent ausgebucht, aber der Chef hat für euch drei Zimmer reservieren lassen. Eines für dich, Jan und Marie, eines für Olaf, Heidi und Grete Lüttjens und eines für Irene Wedekind und Rüdiger Wolters.«
    »Was?«
    »Ja, weißt du, Irene und unser Chef kennen sich. Hoteliers unter sich, du weißt schon. Und weil bei uns nur ganz kleine Haustiere erlaubt sind, hat er den Riesenhund als männlichen Begleiter eintragen lassen. Genial, nicht?«
    Jan kam hinzu und grinste breit. »Heißt das, Rüdiger muss nun aufrecht mit Hut und einem Trenchcoat durch die Lobby laufen?«
    Sissi knutschte meinen Bruder ab, bevor sie antwortete. »Ach was. Der ist mit dem Lastenaufzug hochgefahren.«
    Ich verlor die Geduld. »Jetzt sag schon, was mit Paul ist.«
    »Oh, das ist eine interessante Geschichte. Bonifaz hat mir da was erzählt, das glaubst du im Leben nicht. Ist echt der Wahnsinn.«
    »Sissi!«
    »Ja, schon gut. Also …«
    Aber in diesem Moment stürmte eine Gruppe Amerikaner die Rezeption, und Sissi war vollauf damit beschäftigt, Wegbeschreibungen zum »Cinderella-Castle« zu geben. Das konnte dauern. Ich kannte das. Wer aus Amerika nach Bayern kam, musste Neuschwanstein sehen und wunderte sich dann, dass die Deutschen das Disneyschloss so perfekt kopiert hatten.
    »Uff!«, stöhnte ich.
    Jan nahm mich am Arm. »Komm. Wir machen uns jetzt erst mal frisch. Sissi hat nachher bestimmt Zeit für uns.«
    Es war ein merkwürdiges Gefühl, Gast in dem Hotel zu sein, in dem ich so lange gearbeitet hatte. Automatisch kontrollierte ich das Zimmer auf Staubflusen.
    Erst als ich in der warmen Badewanne lag,

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