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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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Tierarzt sprang zurück. Ein engerer Kreis hatte sich um mich gebildet. Er bestand nur aus Lüttjens’. Opa Hermann fehlte. Dem wurde das jetzt endgültig zu bunt mit mir. Vielleicht hatte mich auch der Sturz wieder klar im Kopf gemacht. Die Occhipintis mussten außen vor bleiben. Rabiate Tierärzte auch.
    Etwas Warmes lief in meine Mundwinkel und schmeckte nach Blut.
    Mann, tat mir die Nase weh. So richtig fies weh.
    Also Leute, ich werde jetzt mal eine Runde ohnmächtig. Wird mir gerade alles zu viel. Weg war ich.
    Irgendwann kam ich wieder zu mir und versuchte, mich zu orientieren. Dauerte ein Weilchen. Mein Kopf lag in einem männlichen Schoß, die Beine konnte ich nicht ganz ausstrecken. Ich schaute hoch und erkannte zu meiner Erleichterung Jan.
    »Wo bin ich?«
    »Dass ich diese Frage mal im wahren Leben hören würde!«, erwiderte mein Bruder statt einer Antwort. Er liebte Ärzteserien im Fernsehen.
    »Jan, bitte.«
    »Wir bringen dich ins Krankenhaus.«
    Ich stellte fest, dass ich auf der mittleren Rückbank im Kleinbus lag. Hinter mir saß Mama, und Margherita auf dem Beifahrersitz gab Papa Anweisungen, wie er zu fahren hatte.
    »Grete und Marie sind von Anna ins Bett geschickt worden«, erklärte Mama. »Grete hat zwar ein bisschen rumgezetert, aber ich konnte ihr ansehen, wie froh sie war. Ist ja auch nicht mehr die Jüngste.«
    Als Papa durch ein Straßenloch fuhr, unterdrückte ich einen Schmerzenslaut. Dann versuchte ich, mich zu entspannen. Bei Papas Tempo würde meine Nase vor der Ankunft im Krankenhaus vermutlich von selbst geheilt sein.
    »Sehe ich schlimm aus?«, fragte ich Jan.
    Der grinste. »Wie der Räuber Hotzenplotz.«
    Mama verpasste ihm eine Kopfnuss. Mir fiel aber auf, dass sie ihm nicht widersprach.
    Ich musste wieder weggenickt sein, denn als ich das nächste Mal zu mir kam, schaute ich direkt auf die leuchtende Schrift »Pronto soccorso«.
    »Die Notaufnahme«, erklärte Margherita überflüssigerweise. Zu dieser frühen Morgenstunde war zum Glück wenig los. Von Margherita erfuhren wir, dass schon einige Leute hier im Warteraum gestorben waren, bevor sie endlich an die Reihe kamen.
    Soll sich noch jemand über das deutsche Gesundheitssystem beschweren!
    Ich kam in einen Behandlungsraum, wo ein junger Notarzt an meiner Nase ruckelte.
    Mann! Schon wieder!
    »Die ist gebrochen«, übersetzte Margherita.
    Ach was.
    »Aber er richtet sie dir ruckzuck, und dann bekommst du einen hübschen Schutzgips.«
    Nase richten?
    Hilfe!
    Aiuto!
    Immerhin, der junge Doktor war gnädig und ließ mir von der Krankenschwester eine lokale Betäubung spritzen. Ein Beruhigungsmittel bekam ich zusätzlich, vermutlich, weil ich bei der Untersuchung eben so gellend geschrien hatte, dass aus dem Nebenraum ein paar Leute angerannt gekommen waren.
    Die beiden Medikamente vermischten sich fleißig mit dem beachtlichen Restalkohol in meinem Blut.
    Hätte ich vielleicht vorher angeben sollen, dass ich ein bisschen was getrunken hatte? Zu spät. Ich tauchte wieder ab. Von der Korrektur merkte ich jedenfalls nichts mehr.
    Als ich das nächste Mal zu mir kam, lag ich im Doppelbett unseres Gästetrullos. Ein kurzer Blick auf einen alten Wecker verriet mir, dass ich den Rest der Nacht und einen kompletten Tag verschlafen hatte. Und zwar nicht allein. Neben mir stinkerte Rüdiger leise vor sich hin. Ob das mit der Pupserei wohl auch mal wieder nachließ?
    Ich wurde erst langsam klarer im Kopf.
    Was hatte Rüdiger auf Jans Seite zu suchen?
    Hm. Vielleicht hatte man uns ein gemeinsames Krankenlager bereitet. Keine schlechte Idee.
    Ich streckte mich vorsichtig. Bis auf die Nase tat mir im Moment nichts weh. Rüdiger kam zu sich, öffnete die Augen, sah mich und sprang mit einem riesigen Satz aus dem Bett.
    Hey, so schlimm kann ich doch nicht aussehen.
    Von draußen erklang die Stimme meines Bruders. »Ja, sie ist da drin, aber ich schaue erst mal nach, ob sie schon wach ist.«
    »In Ordnung«, erwiderte Paul.

24. Besuch ist da!
    Panik, Fluchtinstinkt, Heulkrampf. Ach nee, den lieber nicht. Der tat weh. Und wer wusste schon, ob mein Schutzgips wasserdicht war?
    Aus dem Fenster springen? Gefährlich. Bei einer Fallhöhe von anderthalb Meter riskierte ich, mir den Hals zu brechen.
    Ein Leben als gelähmter Räuber Hotzenplotz – nicht so verlockend.
    Also starr im Bett bleiben, die Decke über den Kopf ziehen und tot stellen, als nun die Tür aufging.
    »Hey, Dicker!«, rief Jan. »Immer langsam mit den jungen Pferden!«
    Aha.

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