Oma packt aus
standhaft weigerten, den Patienten mit Schnaps abzufüllen, machte Grete jetzt kurzen Prozess. Sie wies Irene an, Rüdigers Kopf hochzuhalten, und schüttete ihm den Inhalt der Pulle in den Rachen.
Dottore Gandolfi wagte nicht einzugreifen. Seine freie Hand lag wie zufällig an seiner Kehle.
Hektisch sprach er ins Handy, Margherita vergaß zu übersetzen.
War jetzt auch egal.
Alle starrten auf Rüdiger, der nun wie auf Kommando würgte.
Er würgte und würgte und würgte.
Hier und da wurden Anfeuerungsrufe laut.
Als sich ein Schwall gelben Breis auf den altehrwürdigen Steinquadern ergoss, brandete Applaus auf.
Die Kinder juchzten entzückt, die Krähenfrauen nickten im Takt mit den Köpfen.
Irene sprang zurück, Grete war nicht schnell genug. Mit der leeren Kömflasche in der Hand sah sie jetzt aus wie ein gelb bespritztes besoffenes Gespenst. Und ihr Lachen klang ein wenig irr.
Wenn das Opa Hermann hätte sehen können!
Rüdiger lag auf einmal ganz still. Sein Bauch hatte an Umfang verloren, aber sein Brustkorb …
Hob und senkte sich der noch?
Ja! Dem Himmel sei Dank!
Mit weiteren Pupsern teilte er uns mit, dass er noch am Leben war.
Dottore Gandolfi packte sein Handy weg. Der Tierarzt werde in einer halben Stunde persönlich vorbeischauen, teilte er uns mit. Für ihn selbst gab es hier nichts mehr zu tun.
Er trat den Rückzug an, die Hand immer an der Kehle.
Anna übernahm das Kommando. Alle Kinder wurden von ihr rigoros ins Bett geschickt. Proteste blieben ungehört. Dann bellte sie kurze Befehle. Schon zwei Minuten später eilten ein paar Frauen mit Wassereimern und Wischmopps herbei. Sie säuberten den Hof, während die Männer Tische und Stühle aufstellten. Ich bemerkte, dass sich der Hof gefüllt hatte. Das waren nicht mehr nur Occhipintis. Die Schreie und der Applaus hatten die Nachbarn angelockt, und die brauchten alle eine Stärkung.
Riesige knusprige Brotlaibe, lange gereifter Schinken, würziger Schafskäse und diverse eingelegte Gemüsesorten wurden aufgetragen. Grete holte zwei weitere Flaschen Köm und machte damit die Runde. Ruckzuck wurden die ausgetrunken. Grappa wurde gebracht, Limoncello und ein spezieller Lorbeerlikör, dessen Namen ich nicht verstand. Schmeckte aber gut.
Ich hätte besser vor dem Trinken was essen sollen. Merkte ich bloß zu spät.
Es wurde ein rauschendes Fest, das bis zum Morgengrauen andauerte. Ein oder zwei Leute wachten bei Rüdiger, der fest schlief und nur hin und wieder leise Stinketöne von sich gab.
Der Tierarzt kam, spritzte ihm noch ein Magenmittel und musste dann bleiben.
Die Mischung aus deutschem und italienischem Hochprozentigem ließ mich anhänglich werden.
»Nele«, sagte Jan irgendwann in mein Ohr. »So geht das nicht weiter.«
»Was denn?«
»Du sitzt auf Federicos Schoß und singst.«
»Darf ich nicht auch mal kuscheln?«
»Doch, aber bitte ohne Die Schwarze Barbara.«
Upps!
Wie hatte es denn der gute Heino bis hierher geschafft?
Federico störte mein Gesangsvortrag nicht weiter. Der war sowieso damit beschäftigt, meinen Bauchnabel zu erkunden.
»Das kitzelt«, murmelte ich.
»Angenehm oder unangenehm?«
Tja, was antwortete ich am besten darauf?
Nichts. Mein Mund wurde von seinen Lippen umschlossen.
Mamma mia! Was für ein Kuss!
Ich machte die Augen zu.
Blöde Idee.
Prompt erschien mir Opa Hermann.
»Benimm dich!«
Hm. Der Kuss schmeckte jetzt nicht mehr so gut.
»Du bist eine Schande für die Familie!«
Irgendwie fade.
»Ich enterbe dich!«
Hä? Wie sollte das denn gehen? Posthum? Musste ich unbedingt bei Gelegenheit mal Paul fragen.
Paul. Mein Liebling.
Ich machte eine heftige Bewegung. Unsere Zähne klackerten zusammen.
»Aua«, sagte Federico.
Schnell sprang ich von seinem Schoß, schwankte ein bisschen hin und her und knallte dann mit der Nase gegen einen Steinquader.
Komisch. Ich musste vorher hingefallen sein. Da lag ich nun ausgestreckt und hörte, wie jemand nach dem Tierarzt rief.
Tja, warum sollte es mir besser gehen als Rüdiger? Hauptsache, mich wollte jetzt keiner mit Köm abfüllen.
Der Tierarzt ruckelte fachmännisch an meiner Nase herum.
Hey, konnte dem mal jemand erklären, dass ich kein Ochse war?
»Die ist gebrochen«, übersetzte Margherita.
Ach, Quatsch.
Echt?
»Die Nase lässt sich leicht verschieben.«
Ja, danke, das merkte ich jetzt auch. Wo war Grete mit dem Schlachtermesser, wenn man sie brauchte?
»Finger weg von meiner Tochter!«
Papa, groß, stark, massiv. Der
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