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Oma packt aus

Oma packt aus

Titel: Oma packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Kanitz
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aha.
    »Wieso bist du die Tante von denen?«, erkundigte sich das mürrische Mädchen. »Die sind doch viel älter als du.«
    »Das erkläre ich dir später. Ciao, Herr Liebling.«
    Ach ja, der war auch noch da.
    Sagte aber nichts.
    Konnte ich verstehen. Mein Sprachzentrum war jetzt auch gestört. Mein Bewusstsein sowieso.
    Ciao, bis später.
    Während ich wegdämmerte, hockte sich Opa auf seine durchsichtige Art ans Fußende des Bettes.
    Ich kicherte. Jan merkte gar nicht, wie er sich ihm auf den Schoß setzte, als er ein Stück zurückrutschte. Opa ließ sich davon auch nicht stören. Der stierte mich voller Entsetzen an.
    »Essigsaure Tonerde hilft da auch nix mehr.«
    Nee, schon klar.
    Lange ließ man mich nicht schlafen.
    Sissi weckte mich. »Tut mir leid, aber wir müssen los.«
    »Wohin denn?«, fragte ich schlaftrunken.
    »Ins Krankenhaus, zur Nachuntersuchung.«
    »Ich gehe nicht vor die Tür. Lass doch einen Doktor herkommen. Meinetwegen Opas Leibarzt.« Volles Vertrauen hatte ich in Dottore Gandolfi zwar nicht, aber in meiner Lage war er das kleinere Übel.
    »Du sollst aber noch einmal geröntgt werden«, erklärte mir mein Bruder. »Um sicherzugehen, dass sich nichts verschoben hat.«
    »Nee, nicht mit mir. Am Ende wollen die wieder an meiner Nase ruckeln.«
    »Quatsch«, sagten Sissi und Jan im Chor.
    Sissi griff hinter sich und zauberte einen breiten sonnengelben Seidenschal hervor. »Den drapiere ich dir jetzt ums Gesicht. Das wird hübsch aussehen.«
    Mir kam der Gedanke, zum Islam zu konvertieren. Dann hätte ich Burka tragen können. Fragte sich bloß, was Pastor Gräve dazu sagte. Meine neue katholische Familie wäre bestimmt auch nicht begeistert gewesen.
    Bevor meine Gedanken gänzlich aus dem Ruder liefen, halfen mir Sissi und Jan mit vereinten Kräften auf. Mir war ein bisschen schwindelig, und ich stüzte mich schwer auf den Bettpfosten, während sie mich anzogen. Zuletzt kam der Schal.
    »Sehr hübsch«, meinte Sissi.
    »Die Mumie kehrt zurück«, sagte Jan.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich zaghaft.
    Sissi sah auf ihre Armbanduhr. »Halb acht.«
    »Dann können wir jetzt nicht raus.«
    »Dein Termin im Krankenhaus ist aber um acht«, erklärte Jan. »Margherita hat ihn dreimal verschieben lassen, weil du Ruhe gebraucht hast, aber länger wird nicht auf dich gewartet.«
    Ich wollte den Kopf schütteln, überlegte es mir jedoch zum Glück im letzten Moment anders. »Unmöglich«, erklärte ich. »Im Hof sitzt jetzt die ganze Familie zusammen. Da kann ich nicht vorbeigehen.«
    Sissi nahm mich an der Hand. Vielleicht glaubte sie ja, ich sei jetzt auch blind. »Keine Sorge. Heute Abend ist es ziemlich kühl. Die sind alle in einer der Küchen versammelt.«
    »Aber Paul steht bestimmt irgendwo und wartet auf mich.«
    »Der schläft fest«, erklärte Jan. »War total kaputt, der arme Mann. Als wäre er nicht mit dem Flieger, sondern auf dem Pferderücken zu deiner Rettung herbeigeeilt.«
    »Zuzutrauen wär’s ihm«, sagte Sissi mit einem Anflug von Neid. »Mich hat noch nie einer retten wollen.«
    »Wer ist eigentlich Klara?«, fragte ich.
    »Aber dein Paul, der ist schon was Besonderes.«
    Hatte sie mich nicht gehört? War ich jetzt auch stumm geworden? So langsam machte ich mir richtig Sorgen um meine Gesundheit.
    Ich versuchte es anders. »Warum bist du eigentlich mitgekommen, Sissi?«
    »Na, sag mal, was ist das denn für eine Frage?«
    Okay, die hatte sie gehört.
    »Meine beste Freundin hatte einen Unfall. Da muss ich doch nach ihr sehen.«
    Hm. Ich fand, das klang nur zu höchstens achtzig Prozent nach der Wahrheit.
    »Und?«
    »Was und?«
    »Und warum noch?«
    Sissi grinste breit. »Jan hat mir von den schicken Imperatoren erzählt. Ich dachte, vielleicht ist ja noch einer übrig.«
    Damit waren die hundert Prozent voll.
    »Kannst meinen haben«, erwiderte ich. »Aber pass ein bisschen auf, wenn du auf seinem Schoß sitzt.«
    Das klang jetzt zweideutiger als beabsichtigt, und Sissi brach in lautes Gelächter aus.
    Wir konnten erst los, nachdem sie sich wieder eingekriegt hatte, und das dauerte ein Weilchen.
    Draußen vor der Tür standen Leute.
    Mist! Ich hatte es ja geahnt.
    Es waren aber nur Mama, Papa und Irene.
    »Wie geht es dir, Spatz?«, fragte Papa.
    »Willst du was zur Beruhigung?«, erkundigte sich Mama.
    Ja, super. Jetzt ein Haschpfeifchen, und die nächste lokale Betäubung würde mich ins Jenseits schicken. Und eigentlich hing ich doch an meinem Leben, wie ich gerade

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