Oma und Frieder - Sammelband
Socken will sie. Das hat sie ja selber gesagt. Und da hat der Frieder eine tolle Idee. Er braucht doch bloß den Socken fertig stricken, dann freut sich die Oma und es ist ein Geschenk, ein wunderschönes. Aber stricken kann der Frieder nicht. Das hat er noch nie gemacht. Aber zugeschaut, wie die Oma strickt, das hat er oft und oft. Stricken geht doch superleicht. Man muss bloß zählen, tüchtig zählen. Zählen kann der Frieder gut, beinahe bis hundert. Und die Wolle muss man um die Finger wickeln und tüchtig mit den Nadeln klappern, rechts und links und immer abwechselnd, und wo rechts und links ist, das weiß der Frieder längst.
Frieder strahlt und freut sich. Endlich hat er ein Geschenk für die Oma. Ein fertiger Socken freut die Oma viel mehr als so ein alter Fußball.
Aber damit er stricken kann, muss die Oma weg vom Socken, das ist klar, sonst ist der plötzlich fertig! Er kann die Oma eifrig stricken hören!
Frieder steht und überlegt. Weglocken muss er die Oma, weg vom halb fertigen Socken. Aber wie? Nichts fällt ihm ein, gar nichts ... Oder doch? Doch!
»Oma!«, schreit der Frieder und flitzt zur Oma in die Küche. »Oma, ich glaub, du musst ganz dringend mal aufs Klo!« Wenn nämlich die Oma im Badezimmer ist, dann kann er ganz schnell stricken, das ist doch klar.
»Eins links, eins rechts«, murmelt die Oma und schaut nicht auf, »dann geh schön und putz dich ordentlich ab, wie sich das gehört, eins links, eins rechts.«
»Aber Oma, ich muss doch gar nicht!«, fleht der Frieder. »Oma, ich doch nicht, aber du, du musst!«
»Das lass mal meine Sorge sein«, brummt die Oma und steht nicht auf. Sie zählt und strickt und sitzt felsenfest im Sessel in der Küche. Mensch!
»Oma!«, fleht der Frieder noch lauter. »Oma, du musst mal weg, sonst kann ich dir gar kein Geschenk machen!«
»Ja so«, sagt die Oma und grinst, »ja so, wenn das so ist! Jetzt, wo du's sagst, ich glaub, ich muss tatsächlich.«
Und wirklich, sie steht auf und legt das Strickzeug auf den Sessel und ihre Brille daneben und marschiert ins Badezimmer. Frieder ruft ihr noch schnell hinterher: »Du musst aber ganz lange, gell, Oma?«
Die Oma nickt ihm zu und verschwindet. Sofort hüpft Frieder in Omas Sessel, greift nach Omas Brille und setzt sie auf. Die Brille ist zu groß, sie rutscht. Macht nichts. Auf der Nasenspitze bleibt sie hängen. Frieder greift nach dem Strickzeug, jetzt muss er ganz schnell stricken, ewig bleibt die Oma nicht auf dem Klo, das ist klar. Schnell wickelt der Frieder den Wollfaden um seine Hand, zur Sicherheit dreimal. Jetzt muss er die Stricknadeln halten und losklappern und zählen. Da sind aber vier Nadeln! Er braucht doch aber bloß zwei, weil er ja auch bloß zwei Hände hat. Weg mit zwei Nadeln, die zieht er einfach raus aus der Strickerei, das geht ganz leicht, und schmeißt sie auf den Boden. Beim Schmeißen rutscht die Brille von der Nasenspitze und fällt den Nadeln hinterher. Macht nichts, er kann auch ohne Brille, er ist ja keine alte Oma. Jetzt muss er bloß noch zählen und los geht's.
Frieder schnauft und zählt laut: »Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, los!« Und sticht zu mit den Stricknadeln, feste hinein in den Socken und zieht schöne große Wollschlaufen raus, da muss jetzt der Wollfaden durch. Das will der aber nicht, der bleibt festgewickelt um Frieders Hand, sosehr der auch zieht und zerrt und mit den Nadeln danach angelt. Mist! Der Socken wird ja gar nicht größer. Der wird ja sogar immer kleiner! Da, wo Frieder die Nadeln rausgezogen hat, hängen Wollfäden, die will er abrupfen ... da rennen die Wollfäden plötzlich hin und her und machen, dass der Socken schrumpft. Der soll aber nicht schrumpfen, der soll doch wachsen.
Frieder zählt, so laut er kann, und sticht heftig mit beiden Nadeln in den Socken und da ... hat er sich ins Bein gestochen. Auch das noch! Da kommt bestimmt gleich Blut. Es tut gleich furchtbar weh. Und der Socken ist nicht fertig und überhaupt sieht der aus, wie ein Socken nie aussieht, sondern wie was ganz Blödes. Und ein Geschenk für die Oma ist das auf keinen Fall.
Da muss der Frieder furchtbar weinen, die Tränen tropfen auf den Strickhaufen drauf und aufsein gestochenes Bein. Da rauscht die Oma im Badezimmer heftig mit der Klospülung und ruft durch die geschlossene Türe: »Bub, Frieder, kann ich jetzt kommen?«
Da muss der Frieder noch viel lauter weinen, weil sich die Oma so auf das Geschenk freut und nun kriegt sie gar nix,
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