Oma und Frieder - Sammelband
Marmeladengläser. Gelbe, süße Pfirsichmarmelade, grüne, saure Stachelbeermarmelade und die rote Himbeermarmelade, die steht ganz hinten. Vorsichtig holt der Frieder alle Gläser raus und stellt sie vorsichtig in einer Reihe auf den Küchenboden. Dann kriecht er in den Küchenschrank und packt zwei Gläser Himbeermarmelade. Zwei braucht er doch bestimmt. Sein Zimmer ist so groß, das größte in der Wohnung, das hat die Oma selber gesagt. Leider haben seine Füße keine Augen und beim Rückwärtskrabbeln, beide Gläser fest im Arm, stößt Frieder an die Marmeladengläserreihe und es macht »klirr« und es duftet plötzlich süß und drei Gläser sind kaputt.
Aber Frieder saust ins Kinderzimmer und sofort legt er los, holt einen dicken Batzen Marmelade aus dem Glas und klatscht ihn gegen die Wand. Und weil das so gut geht, platscht er gleich noch einen Batzen hinterher. Herrlich! Nun muss er nur noch tüchtig schmieren. Mit beiden Händen geht das gut, und ehe er wieder ins Glas reinlangt, schleckt er sich schnell die Finger sauber, weil das gut schmeckt. Und wieder schmeißt er neue Batzen, diesmal mit beiden Händen, weil's schneller geht, und zwei Marmeladengläser hat er auch. Herrlich! Batzen schmeißen, schmieren, lecken; Batzen schmeißen, schmieren, lecken. Ein großes Stück Wand ist schon ganz voll und rot und Frieder strahlt! Himbeermarmeladenfarbe an den Wänden, das war die Idee! Da wird die Oma aber staunen. Da sind die beiden Gläser auch schon leer. Frieder flitzt in die Küche und sucht und findet keine. Bloß gelbe Gläser sind noch da und
grüne und außerdem gelbgrüner Marmeladenmatsch auf dem Küchenboden, dort, wo Frieders Füße hingestoßen sind. Auweia. Frieder macht die Augen schnell zu und steigt vorsichtig über den süßen Haufen und macht die Augen wieder auf und rennt in sein Zimmer. Vielleicht ist doch noch ein bisschen rote Marmelade da? Da bleibt er auf der Schwelle stehen und starrt erschrocken auf die Wand. Sein Zimmer sieht plötzlich so anders aus, so verschmiert wie mit Blut! Und dicke Tropfen platschen auf den Boden, wie Blutstropfen aus Frieders Knie, wenn er hingefallen ist.
Das sieht ja scheußlich aus! Ein Zimmer wie voll Blut, das will er lieber nicht. Das will die Oma bestimmt auch nicht! Die Farbe muss wieder ab! Frieder stürzt zur Wand und reibt daran herum und reibt auch noch mit seinem Hemd.
Die Marmelade geht nicht ab! Sie klebt, rot und verschmiert, nun auch noch auf Frieders Hemd.
Schlecken muss ich, denkt der Frieder, tüch-tig schlecken. Mit Schlecken kriegt man alles ab! Und Frieder schleckt los, die Wand rauf, die Wand runter, die Wand nach rechts und auch nach links. Es schmeckt grässlich süß. Tapfer schleckt der Frieder weiter und Schweiß steht ihm auf der Stirn und in seinem Bauch rumpelt es.
Da steht die Oma in der Tür, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und zetert los: »Ja bist du denn vom wilden Watz gebissen? Da steht der Bub und schleckt die Wände ab! Ich glaub, ich seh nicht recht!«
»Doch, Oma«, nickt der Frieder trübe und hält die Hände auf den Bauch. »Oma, mir ist schlecht.«
»Ich bin zwar eine alte Frau, aber blind bin ich nicht!«, sagt die Oma. »Schmierfink, du lausriger!« Sie tippt mit dem Finger an die Wand und leckt am Finger und kreischt auf: »Ha! Marmelade!«
»Himbeermarmelade, Oma«, flüstert der Frieder und dann wird ihm richtig schlecht.
Da sagt die Oma nichts mehr. Sie schleppt den Frieder ins Badezimmer, hält ihm die Stirn beim Spucken und dann setzt sie ihn in schönes, warmes Badewannenwasser.
»Himbeermarmelade«, sagt die Oma und schüttelt den Kopf, »die gehört auf den Tisch und nicht an die Wand, dass du's nur weißt!«
Frieder nickt und muss ein bisschen ins Badewannenwasser weinen. »Oma, was machen wir denn jetzt?«, schluchzt er und hält sich an der Oma fest.
»Ich schau mir die Bescherung an und du bleibst in der Wanne!«, sagt die Oma und ist schon aus dem Badezimmer. Aus der Küche kommt ein Schrei. »Ha! Und hier ist auch ein Schweinestall! Kaum ist die Katze aus dem Haus, da tanzen die Mäuse auf dem Tisch!«
»Es tut mir ja so Leid, Oma«, flüstert der Frieder.
Da ist die Oma wieder da und hebt ihn aus der Wanne und rubbelt ihn ab und sagt: »Was geschehen ist, ist geschehen, da beißt die Maus keinen Faden ab!« Sie trägt den Frieder in sein Zimmer. Frieder sieht mit einem Blick, da liegen Rollen aus Papier. Viele, fünf oder zwanzig. Papierrollen mit roten Blümchen
Weitere Kostenlose Bücher