Oma und Frieder - Sammelband
Brief, Oma!«
»Und ich hätt doch so gern mal einen braven Bub«, sagt die Oma und rührt heftig ihren Kuchenteig, »so einen, der nicht immer seine Oma stört beim Kuchenbacken, haben wir uns verstanden?«
Frieder seufzt ein zweites Mal, ganz tief, und geht brav in sein Zimmer. Aber die Kinderzimmertür haut er fest zu, dass es tüchtig knallt.
So, jetzt ärgert sich die Oma aber, weil, Türenknallen kann sie gar nicht leiden. Und Frieder kann es nicht leiden, dass er nie und nie einen Brief bekommt. Jeden Tag sieht er die Postfrau mit der dicken Tasche, wie sie Briefe einwirft in die Briefkästen. Aber für ihn ist nie einer dabei! Wo er doch so Lust auf einen Brief hat! Da stehen sicher schöne Sachen drin, wie im Bilderbuch, bloß ganz allein für ihn.
Frieder holt alle seine Bilderbücher aus dem Regal und legt sie auf den Boden. Die kann er alle lesen, Wort für Wort. Er weiß ja, was drinsteht, und die Bilder kennt er am allerbesten. Frieder hockt sich auf den Boden und klappt ein Bilderbuch auf. Da hängen wilde Kerle an den Bäumen und ein Bub im Wolfspelz ist auch dabei und Frieder weiß genau, was der sagt: »Und jetzt, sagt Max, machen wir Krach.«
Und dann machen sie alle einen unheimlichen Krach. Das hat dem Frieder gut gefallen. Frieder grinst und sagt laut: »Und jetzt, sagt Frieder, machen wir Krach!« Wenn er schon keine Briefe kriegt, dann macht er eben Krach.
Und er weiß auch schon, wie. Er muss bloß ein wilder Kerl sein und an Bäumen schaukeln und dazu schaurig brüllen. Brüllen kann er gut.
Aber Bäume stehen nicht in seinem Zimmer, woran soll er denn dann schaukeln?
»Oma!«, brüllt der Frieder und reißt die Tür weit auf. »Bring mir was wie einen Baum, damit ich daran schaukeln kann!«
»Ja bin ich denn dein Diener!«, ruft die Oma zurück. »Und überhaupt, geschaukelt wird im Hof, dass du's nur weißt.«
»Aber wenn ich doch hier schaukeln muss!«, schreit der Frieder. »Ich bin doch ein wilder Kerl!«
»Und ich bin deine liebe Oma und backe einen Kuchen«, ruft die Oma, »wie oft soll ich das noch sagen.«
Frieder haut mit einem Knall die Zimmertür wieder zu. Alles muss man selber machen! Die Oma ist gar keine Hilfe!
Frieder schaut sich um und dann steigt er auf einen Stuhl. Ein Stuhl ist kein Baum und dran schaukeln kann man auch nicht. Aber wackeln tut der, wenn man tüchtig darauf hopst.
Frieder stößt ein lautes Geheule aus und wa-ekelt dabei mit dem Stuhl mächtig hin und her.
»Kind, Bub!«, ruft die Oma aus der Küche. »Ist dir was passiert?«
»Neee, Oma!«, brüllt der Frieder. »Ich bin doch bloß ein wilder Kerl. Uaaaa, uaaaa, uaaaa!«
»Ich bin zwar eine alte Frau, aber taub bin ich nicht!«, schreit die Oma. »Spiele leiser, das Haus stürzt ja ein!«
Gar nicht, denkt der Frieder und jault laut auf und wackelt heftig mit dem Stuhl. Da kippt der Stuhl leider um, zusammen mit dem Frieder, platsch auf den Boden.
Das hat überhaupt nicht wehgetan! Frieder schaut seine beiden Knie an, die sind beide heil, aber wenn er genau hinhorcht, dann tut's am Po ein bisschen weh. Sogar ein bisschen sehr.
»Frieder, Bub!«, schreit die Oma aus der Küche. »Ist dir was geschehen? Du bist so still!«
»Ja, Oma!«, jammert der Frieder und bleibt stocksteif auf dem Boden sitzen. »Der Stuhl ist umgefallen mit mir drauf.«
Da steht die Oma auch schon im Zimmer und zieht den Frieder hoch und tastet an ihm herum, von oben bis unten, und als sie zum Po kommt, wimmert Frieder auf.
»Das kommt davon«, sagt die Oma und gibt ihm einen kleinen Klaps. »Wer nicht hören will, muss fühlen. Und jetzt komm in die Küche, Rotzlöffel du, Teigschlecken ist gut gegen Popo-Weh.«
Frieder nickt und schnupft und greift nach Omas Hand und in der Küche geht er gleich zum Küchentisch mit der Schüssel drauf und will schon losschlecken ... da ist ja gar kein Teig mehr in der Schüssel drin! Sie ist blitzblank, bloß was Weißes schimmert auf dem Schüsselboden. Was Weißes mit was draufge-schrieben, und das sieht genauso aus wie ein Brief. Sogar eine Briefmarke klebt da drauf, bunt und klein.
»Mensch, Oma!«, staunt der Frieder. »Das ist ja ein Brief, ein echter! Ist der für mich?«
»Für mich ist der jedenfalls nicht«, sagt die
Oma. Sie kniet vor dem Ofen und schaut nach dem Kuchen, der Kuchen ist bald fertig.
Frieder strahlt und zieht vorsichtig aus dem Umschlag ein großes Stück Papier mit vielen schwarzen Buchstaben drauf. Die schaut er sich lange an, sehr lange ...
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