Oma und Frieder - Sammelband
so lange, bis die Oma sagt: »Na gib schon her. Ich lese ihn dir vor.«
Frieder kniet sich schnell neben die Oma vor den Ofen und laut liest sie vor:
»Lieber Frieder! Wie geht es dir? Mir geht es gut. Du bist oft ein lieber Frieder, aber wenn du noch einmal mit den Türen knallst, dann hau ich dir den Popo voll. Haben wir uns verstanden? Zum Kuchen gibt es heute süße Sahne. Die steht im Eiskasten. Die darfst du schlagen und naschen darfst du auch. Viele Grüße. Deine Oma.«
»Mensch, Oma!«, sagt der Frieder und strahlt. »Mensch, Oma, das ist ein Brief ganz allein für mich. Und den hast du geschrieben!«
»Genau, du Schlaumeier«, grinst die Oma und steht mühsam auf, »jetzt hol die Sahne, geschlagen wird!«
Und dann hat der Frieder die süße Sahne geschlagen, ganz allein. Süße Sahne schlagen ist das Schönste, beinahe so schön wie Briefe kriegen, und besser als Kuchenteig ist sie auch.
Und dann hat die Oma den Tisch abgewischt und den Boden gewischt und den Frieder abgewischt und den Stuhl abgewischt und den Eiskasten abgewischt und sich selber auch. Weil, alles war weiß. So weiß wie ein Brief. Bloß viel süßer.
Im Bus
»Oma«, schreit der Frieder und zupft an Omas Rock. »Oma, mach schneller, sonst fährt der Bus noch ohne uns ab!«
»Ja lässt du mich gleich los, Rotzbub«, zetert die Oma und greift nach ihrer Handtasche, der braunen, und ihrem Hut, dem schwarzen. »Eine alte Frau ist doch kein D-Zug. Der Bus wird schon warten, wir sind zeitig genug.«
»Aber Oma!«, schreit der Frieder noch lauter. »Der wartet ganz bestimmt nicht. Wenn du auch immer so langsam machst!«
»Und du benimmst dich jetzt, wie sich das gehört!«, sagt die Oma streng. »Sonst fahren wir gleich gar nicht, haben wir uns verstanden?«
Aber da ist der Frieder schon die Treppe runter und die Oma hinterher. Der Frieder freut sich sehr. Er fährt so gern mit dem Bus, weil man da so schön dem Busfahrer zuschauen kann!
Endlich sind sie an der Haltestelle. Kein Bus ist zu sehen, dafür stehen viele Leute da, die warten auch. Die fahren aber sicher nicht so weit wie der Frieder und seine Oma.
Frieder hüpft ungeduldig auf und ab. Wo bleibt er denn, der Bus? Die Oma hält seine Hand eisern fest und sagt: »Gell, Bub, und beim Einsteigen, da bleibst du schön an meiner Hand, ja?«
Frieder nickt und hört gar nicht mehr hin, da kommt nämlich der große blaue Bus herangebrummt und bremst vor allen Leuten. Quietschend öffnen sich die Türen. Sofort reißt sich Frieder los von Omas Hand. Bloß jetzt schnell hinein, damit er noch einen Platz kriegt, ganz vorne, damit er dem Fahrer beim Fahren zuschauen kann!
Viele Leute drängeln hinter Frieder her und schubsen vorwärts. Der Bus wird voll. Aber der Platz hinter dem Fahrer ist noch frei. Frieder drängelt sich schnell durch, setzt sich rasch und hält beide Hände auf den Platz neben sich. Weil, da soll doch die Oma sitzen!
Aber wo bleibt sie denn? Frieder schaut sich um zur Tür, da schnauft ein alter Opa die Stufen rauf, die Oma ist das nicht, und hinter ihm klappen die Türen zu. Der Bus fährt an. Und Frieder sieht die Oma draußen auf der Straße stehen und schreien und sie winkt mit beiden Armen. Da ist sie schon verschwunden.
Frieder sitzt schreckensstarr! Die Oma ist nicht mitgekommen! Die Oma ist nicht eingestiegen! Sie ist draußen und Frieder ist drinnen und der Bus fährt mit ihm weg. Dem Frieder wird ganz anders. Was soll er denn jetzt machen? Alleine Bus gefahren, das ist er doch noch nie! Immer war doch die Oma dabei und hat neben ihm gesessen und überhaupt dürfen kleine Kinder gar nicht alleine Bus fahren, das ist bestimmt verboten. Er weiß auch gar nicht, wo der Bus jetzt mit ihm hinfährt! Vielleicht bis ans Ende der Welt, und dann kommt er nie wieder nach Hause.
Das geht doch aber nicht! Frieder schluckt und schluckt. Er muss hier raus, sofort, das ist dem Frieder klar. Aber wie? Die Türen sind zu, der Bus fährt und fährt.
Frieder krabbelt auf den Sitz und schaut über die Lehnen nach hinten in den Bus hinein. Vielleicht hat sich die Oma ja bloß versteckt und ist doch drin im Bus? Aber Frieder sieht bloß fremde Leute, die lesen Zeitung oder schauen aus dem Fenster oder starren vor sich hin. Und Frieder weiß ja längst selber, die Oma kann gar nicht drin sein im Bus, die hat er ja auf der Straße ganz deutlich gesehen! Frieder schluckt und schluckt! Oma!!! Da ist etwas in seiner Kehle, das fühlt sich an wie Tränen.
Frieder schluckt
Weitere Kostenlose Bücher