Omega Kommando
Kniegelenken in den Schnee eintauchten.
»Das nennt man Versohlen«, erklärte Blaine leise.
»Was?« entgegnete Sandy, aus ihrer Trance gerissen.
»Ein uraltes indianisches Ritual, das die Einheit von Kraft und Heimlichkeit symbolisieren soll. Die Knaben wollen damit ihr Mannestum beweisen, und die Männer sich selbst. Johnny wollte es mir einmal beibringen, ohne großen Erfolg. Ich nehme an, es muß wohl im Blut liegen.«
Wareagle war an der Stelle niedergekniet, wo der Bock gestanden hatte, als wolle er die Aura aufnehmen, die das majestätische Tier zurückgelassen hatte. Er wandte ihnen seinen gewaltigen Rücken zu, doch Sandy konnte sehen, daß seine Hände auf den Knien ruhten und er zu meditieren schien, während sich auf seinem Haar Schneeflocken sammelten.
Blaine hob die Hand, um Sandy zu bedeuten, sie solle bleiben, wo sie war; dann näherte er sich der kleinen Lichtung. Er blieb zwei Meter von Wareagle entfernt stehen, die Privatsphäre des riesigen Indianers akzeptierend.
»Hallo, Blainey«, sagte Johnny, ohne sich umzudrehen.
»Woher weißt du, daß ich es bin, Indianer?«
»Ich habe gefühlt, wie du dich durch die Wälder genähert hast. Deine Aura ist ausgeprägt«, erklärte Johnny, immer noch abgewandt, die Hände auf den Knien gefaltet. »Und die Geister haben mich gewarnt, du würdest kommen. Sie haben deinen Namen auf dem Wind getragen.«
»Es ist lange her, Indianer. Viele Monde, wie ihr sagt.«
»Und es hätten noch viel mehr sein sollen.« Wareagle drehte seinen Oberkörper und sah ihn an. »Du bringst Blut in deinem Schatten, Blainey. Dein Geist stört den Frieden der Wälder.«
»Ich brauche deine Hilfe, Johnny.«
»Du mußt lernen, deine Gewalt zu bezwingen, Blainey. Der stärkste Bogen muß nicht unbedingt einen Pfeil abschießen, um seine Stärke zu beweisen.«
»So hast du nicht gesprochen, als du mich aus einem Hinterhalt der Vietcong gerettet hast.«
»Karma, Blainey. Einen Monat zuvor hast du mich durch ein Minenfeld getragen.«
»Deine gesamten dreihundert verdammten Pfund. Ich glaube, die Minen schreckten vor dir zurück.«
Wareagle lächelte und erhob sich. Er trat vor und faßte McCracken an den Schultern.
»Es betrübt meine Seele, mich an diese Zeiten zu erinnern, Blainey, doch ich will sie nicht vergessen. Wir waren damals vieles, doch hauptsächlich waren wir lebendig. Das Überleben gab uns einen Sinn. Das Leben war einfach, so frei von den Komplikationen, die die Seele besudeln.« Er trat zurück, und sein Gesichtsausdruck wurde wieder starr. »Ich bin hierher gekommen, um diesen Komplikationen zu entrinnen, Blainey. Du bist nur ein Spiegelbild, eine Irreführung des Schneefalls.«
»Wie viele Männer sind bei dir, Johnny?«
»Sechs Seelen auf der Suche nach Frieden.«
»Sind sie gut?«
»Sie sind gut darin, zu atmen, das frische Wasser zu trinken, das sauber durch diese Hügel fließt, und die Luft zu riechen.«
»Vietnam?«
Wareagle nickte. »Die Geister jener Tage suchen noch immer ihren Schlaf heim.«
»Meinen auch.«
»Warum die Fragen, Blainey?«
»Weil es in diesem Augenblick einen anderen Krieg gibt, Indianer. Die Front ist etwa fünfzig Kilometer entfernt, und es ist an uns zu kämpfen. Noch einmal.«
Wareagle nickte erneut; er schien nicht überrascht. Schneeflocken tanzten um sein Gesicht. »Die Geister haben mich davor gewarnt, noch bevor sie mich warnten, du würdest kommen. Sie sprachen von einem Bösen ohnegleichen, das der Welt seinen Stempel aufdrücken würde.«
»Das ist eine gute Umschreibung unserer Widersacher …«
»Sie sprachen von Männern, die nach dem Blut der Macht dürsten, von Männern, die es trinken wollen, bis ihr Bauch platzt, und dann immer noch nicht aufhören. Das Böse, das sie verbreiten, hat sogar diese Wälder erreicht. Ich fühle, wie es mit dem Schnee fällt und den Boden versengt.«
McCracken trat näher an ihn heran und wischte sich den Schnee aus dem Gesicht. »Die Leute, hinter denen ich her bin – Wells gehört zu ihnen. Er ist auf der Horse Neck Island.«
Der Indianer schwieg einen langen Augenblick, und seine Augen blickten durch Blaine hindurch, als sähe er nicht Blaine, sondern das Massaker von Bin Su und den Mann, der es befohlen hatte. Als Blaine schließlich das Schweigen brach, waren seine Worte kaum ein Flüstern. »Wirst du mir helfen, Johnny?«
Wareagles Augen blickten in die Ferne. »Meine Seele ist dort drüben im Höllenfeuer gestorben, Blainey. Ich bin in diese Wälder hier
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