Omega Kommando
Wareagle und die anderen Indianer näherten. In der Ferne, mitten in der Bucht, konnte sie die dunkle Form der Horse Neck Island ausmachen. Sie schlängelte sich wie eine große Schlange auf dem Wasser – eine Illusion, die durch den verwehenden Schnee verursacht wurde.
»Dort drüben«, sagte Wareagle.
Blaines Blicke folgten der Linie von Johnnys Finger zu dem kleinen, baufällig wirkenden Pier, der sich vom entferntesten, zerklüfteten Küstenrand aus erstreckte. Aus dieser Entfernung wirkte er völlig bleich, bis auf einen dunkleren Fleck, der sich im Rhythmus mit dem Wind bewegte.
Es war ein Boot, ein Fischerboot.
»Sieht so aus, als würden deine Geister doch auf uns achten, Indianer«, sagte Blaine, wieder von Hoffnung erfüllt.
Wareagle schüttelte den Kopf. »Wir werden es niemals schaffen, Blainey. In ruhigen Gewässern hätten wir eine Chance. Aber jetzt, heute abend, werden die Riffe uns der eisigen See ausliefern. Das Boot ist nutzlos für uns. Nur ein Mann, dessen Manitu diese Gewässer sehr gut kennt, könnte es schaffen.«
»Wir müssen es versuchen, Johnny«, beharrte Blaine. »Selbst, wenn wir die Bucht durchschwimmen müssen, wir müssen es versuchen.«
»Vielleicht doch nicht«, sagte Sandy plötzlich. Sie deutete auf die kleinen, grauen Wolken eines Holzfeuers, die aus dem Kamin einer Hütte direkt neben dem Pier quollen. Im Fenster flackerte Lichtschein. »In dieser Hütte ist jemand.«
McCracken wandte sich an Wareagle. »Der Besitzer des Bootes?«
»Wenn die Geister uns beistehen, ist alles möglich.«
»Dann wollen wir mal sehen, ob wir einen Seemann anheuern können.«
29
McCracken klopfte fünfmal laut an die Tür, dann hörte er, wie innen ein Riegel zurückgeschoben wurde. Die Fenster waren so dick mit Eis verkrustet, daß man das Innere der Hütte von außen unmöglich einsehen konnte. Es brannte ein düsteres Licht in der Hütte, doch erst, als die Tür zu ächzen begann, wußte er mit Sicherheit, daß sich jemand darin aufhielt.
»Was wollen Sie?« fragte der Bootsmann und öffnete die Tür nur einen Spalt breit.
»Wir brauchen Ihre Hilfe«, entgegnete Blaine, während der Wind Neuschnee durch die schmale Öffnung blies. Im Inneren der Hütte fühlte er nun die Wärme eines Feuers und roch das harzige Versprechen einer Linderung der Kälte, die es bot.
»Ahjoh«, knurrte der Schiffer mit rauher, wettergefärbter Stimme. »Ihr Burschen kommt besser erst mal aus dem Sturm, bevor ihr noch erfriert.«
»Dazu haben wir keine Zeit.«
»Ihr habt genug Zeit, um zu erfrieren, und genau das werdet ihr tun, wenn ihr nicht auf mich hört.«
Blaine gab nach und betrat die Hütte, gefolgt von Sandy und dann Wareagle, den der Schiffer scharf musterte.
»Da draußen sind noch mehr«, sagte er. »Ich habe sie gehört.«
»Wenn sie hereinkommen, wird ihnen die Kälte nur noch grausamer erscheinen, wenn sie wieder hinaus müssen«, erklärte Wareagle. »Es war ihre Wahl.«
»Ahjoh. Diese Nacht bringt um, wen sie kann. Ihr Burschen … und Sie, Lady … seid ganz weiß im Gesicht. Ihr wart schon 'ne Weile draußen, nicht wahr?«
»Wir brauchen Ihr Boot«, setzte Blaine an.
»Mein Boot ist nicht zu vermieten, Freund.«
»Aber zu chartern? Wir brauchen auch Sie. Sie müssen es steuern.«
»Bessere Männer als ich sind in Küstenstürmen abgesoffen, mein Freund. Und auch bessere Boote als meins.«
Blaine folgte dem Bootsmann näher an eine Kerosinlampe heran, in deren Schein er das Gesicht des Mannes zum ersten Mal genau sehen konnte. Es war ein formloses Gesicht, weder jung noch alt, die Gesichtszüge von einem Stoppelbart verborgen, und mit stumpfen Augen unter einem ergrauenden Haarschopf.
»Geld ist kein Problem«, erklärte er.
»Sie haben recht, es ist keins«, schnappte der Schiffer, »denn Geld kann einem kein neues Leben kaufen.«
»Aber ein neues Boot.«
»Ich bin mit dem, was ich habe, ganz zufrieden«, erwiderte der Bootsmann. »Es steckt noch etwas Leben in ihm.« Er hielt inne. »Wohin wollt ihr Burschen in so einem Sturm überhaupt so schnell?«
»Horse Neck Island.« Blaine sah auf seine Uhr. »Wir müssen uns beeilen.«
McCracken überlegte kurz, ob er seinem Wunsch mit dem Gewehr Nachdruck verleihen sollte, und der Schiffer mußte seine Gedanken gelesen haben, denn seine stumpfen Augen wandten sich zu der M-16, die über McCrackens Schulter hing. »Habt ihr vor, in den Krieg zu ziehen oder so?« fragte er und fuhr sich mit der Hand über die
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