Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)
geschlachtet. 450 Personen wurden verhaftet.
Dieselben Methoden kamen auch in den Zitrushainen der Conca d’Oro sowie in den vielen mafiaverseuchten Vorstädten Palermos wie Bagheria, Monreale, Corleone und Partinico zum Einsatz. Die Razzien wurden in den Provinzen Agrigent, Caltanissetta und Enna fortgesetzt.
Die Operation war noch in vollem Gange, als der Duce bereits beschloss, seine Erfolge der Welt kundzutun.
Am 26 . Mai 1927 – Katholiken feierten Christi Himmelfahrt – erlebte Italien seine eigene kleine Apotheose.
Fassthorax und Stiernacken in einen Gehrock mit Eckenkragen gestemmt, trat Mussolini vor die Abgeordnetenkammer und wurde mit jubelndem Beifall begrüßt. Der überschwängliche Empfang war keine Überraschung: Es war nun das fünfte Regierungsjahr des Duce, und Italiens Parlament war mittlerweile vollkommen gezähmt. Dennoch war dies keiner der üblichen Auftritte des Duce. Gleich würde er eine Rede halten, die als seine bedeutendste angekündigt war: eine Mitteilung über den erfolgreichen Aufbau der ersten faschistischen Diktatur der Welt. Zur Feier des Tages stand ein üppiges Rosenbouquet vor Mussolinis Stuhl. Und ebenfalls zur Feier des Tages modulierte der Diktator sein übliches großspuriges Gehabe. Fast besinnlich mit einer der Rosen spielend, wandte er sich mit tiefer, ruhiger Stimme an die Abgeordneten.
Mussolinis Himmelfahrtsrede verriet, was die
New York Times
als »Anzeichen zunehmenden Größenwahns« diagnostizierte. Doch die Rede klang in vielen italienischen Ohren auch unbestreitbar verführerisch. 1922 , erklärte Mussolini, hätten die Faschisten einen demokratischen Regierungsapparat übernommen, der chaotisch, schwach und heruntergewirtschaftet gewesen sei, »ein schlecht organisiertes System aus Präfekturen«, wobei »die einzige Sorge eines jeden Präfekten« darin bestanden habe, »erfolgreich Wählerstimmen zu ergattern«. In nur fünf Jahren, behauptete Mussolini, habe sein Regime »etwas Großartiges, Epochales, Denkwürdiges« geleistet: Zum ersten Mal seit dem Niedergang des Römischen Reiches werde das italienische Volk von einer echten Regierungsgewalt gelenkt. Das faschistische Regime habe in diesem Italien, das so lange von politischem Taktieren und Korruption geschwächt worden sei, endlich Ordnung und Disziplin geschaffen. Das Land marschiere jetzt im Gleichschritt zum stampfenden Rhythmus einer totalitären Ideologie: »Alles innerhalb des Staates. Nichts gegen den Staat. Nichts außerhalb des Staates.«
Die oberste Autorität des Staates war das Wappenschild des Faschismus. Die sizilianische Mafia bildete einen Staat im Staate. Aus diesem Grund befanden sich Faschismus und Mafia auf Kollisionskurs.
Ein Kernstück der Himmelfahrtsrede war Mussolinis stolze Stellungnahme zur Operation Mori. Sizilien, berichtete er dem Parlament, liege auf dem Operationstisch, sein Rumpf werde vom Skalpell des Duce aufgeschnitten, das Krebsgeschwür der Kriminalität offengelegt. Tausende mutmaßlicher Mafiosi seien in unzähligen sizilianischen Städten und Dörfern gefangengenommen worden. Das Ergebnis sei ein dramatischer Rückgang der Kriminalität. Die Anzahl der Morde sei von 675 im Jahr 1923 auf 299 im Jahr 1926 gesunken, jene der Viehdiebstähle im selben Zeitraum von 696 auf 126 . Der Duce schmetterte weitere Statistiken in die Menge, ehe er mit oratorischer Gebärde den Schluss zog:
»›Wann ist der Kampf gegen die Mafia zu Ende?‹, wird man mich fragen.
Er ist nicht etwa dann zu Ende, wenn es keine Mafiosi mehr gibt, sondern erst, wenn die Sizilianer sich nicht einmal mehr an die Mafia erinnern.«
Der Auftritt des Duce war eine sehnlichst erwartete Demonstration politischer Willenskraft: Es sollte keinerlei »Rücksicht« geben gegen die Mafia, die in Mussolinis Worten »Sizilien entehrt« habe. Nach sechs Jahrzehnten einer Politik der Verdunkelung und der stillschweigenden Duldung schien Italien nun endlich von einem Staatschef gelenkt zu werden, dessen oberste Priorität darin bestand, die gefürchtetste kriminelle Organisation des Landes zu zerschlagen.
Nach der Himmelfahrtsrede schnitt Mussolinis Skalpell noch weitere zwei Jahre ins Fleisch der Insel: Einigen Berechnungen zufolge waren bis 1928 11 000 Personen verhaftet worden. Im Juni 1929 wurde der Eiserne Präfekt schließlich nach Rom zurückbeordert. Er habe seine Pflicht getan, die Mafia sei ausgemerzt, erklärte Mussolini. Es sei nun Aufgabe der Richter, die Angelegenheit zu Ende zu
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