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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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gekommen war. Während der landesweiten Wahlen wurde in Peppuccios Wahlkreis 1913 ein Feldzug gegen die Camorra geführt (man entsandte die Kavallerie in die Mazzoni-Sümpfe), und Peppuccio wurde abgesetzt. Doch kaum war er aus dem Weg, kehrte das Bandenwesen im neapolitanischen Hinterland wieder zum Alltag zurück.
    Von den Mazzoni-Sümpfen über Nola bis hin zum Vesuv waren die Camorristi in den Städten und Dörfern ebenso zu Hause wie in den Gefängnissen und Straßen der Stadt Neapel. Zwischen den Banden in der Provinz und jenen der Stadt bestanden enge Verbindungen. Die Tomaten, Salatköpfe, Salamiwürste und Büffelkäse, die die Camorristi im Hinterland aufkauften, wanderten zunächst zu den Verbrecherkartellen, die kleine Anteile des Großhandels in der Stadt kontrollierten. Ein entsetzlich ineffizientes System, an dem allenfalls die Zwischenhändler verdienten. Die armen Leute in Neapel dagegen bezahlten horrende Lebensmittelpreise. Das offizielle Italien aber nahm kaum Notiz davon.
    Bis der Faschismus kam.
    In seiner »Himmelfahrtsrede« im Jahre 1927 klärte Mussolini das Parlament über die Mazzoni-Sümpfe auf. Natürlich ging er davon aus, dass seine Zuhörer noch nichts von diesen Sümpfen gehört hatten: Welcher Bürger, der noch bei Verstand war, würde sich wohl auch die Mühe machen, die Stadt zu verlassen, um herauszufinden, woher der köstliche Büffelkäse kam?
    »Die Mazzoni liegen zwischen den Provinzen Rom und Neapel: Sie sind ein sumpfiges Gelände, in dem die Malaria wütet.«
    Ihre Bewohner, fuhr der Duce fort, hätten von alters her einen entsetzlichen Ruf: Bei den alten Römern hätten sie
latrones
geheißen – »Wegelagerer, Räuber«. Wie es seine Gewohnheit war, bombardierte Mussolini sein Auditorium daraufhin mit statistischen Fakten: Zwischen 1922 und 1926 sei es in den Mazzoni zu 169  Morden und 404  Fällen von Erpressung und Vandalismus gekommen. Doch das faschistische Skalpell werde dieses tausendjährige Geschwür der Gesetzlosigkeit entfernen. Der Befehl des Duce war kurz und knapp: »Befreit mich mit glühenden Eisen von der verbrecherischen Brut!« Mit einer weiteren Statistiksalve verkündete er anschließend den Triumph der Staatsgewalt: 1699  Angehörige der Unterwelt seien in den Mazzoni verhaftet worden, 1278 weiter südlich, in den Weinbergen und Obstgärten von Aversa. Im ländlichen Kampanien, wie auf Sizilien, stehe der Faschismus kurz vor dem Sieg.
    Die Presse bezeichnete die Kampagne als »moralische Trockenlegung« der Mazzoni-Sümpfe. Der Mann, der die Kampagne leitete, war Major Vincenzo Anceschi, ein 50 -jähriger Carabiniere. Anceschi selbst war der Sohn eines Carabiniere, und sein eigener Sohn würde auch zu den Gendarmen gehen: eine Tradition, die zeigt, welche Leidenschaft
l’arma
, wie man in Italien diese Militärpolizei nennt, in ihren Mitgliedern zu entfachen vermag. Anceschis Feldzug gegen die Camorra war in seiner Vehemenz durchaus mit dem vergleichbar, was Mori auf Sizilien unternahm: Von Dezember 1926 bis Mai 1928 wurden 9143  Menschen verhaftet, zwei Verdächtige starben bei einem Schusswechsel mit den Carabinieri.
    Anceschis Männer durchstreiften in berittenen Schwadronen die Provinz, wobei sie Familien entwaffneten, die als gefährlich galten, Abtrünnige verhafteten und korrupte Klüngel innerhalb der Kommunalregierungen sprengten. Ihre härtesten Einsätze fanden in den Mazzoni statt, doch umfassten ihre Razzien auch die ländlichen Gebiete weiter östlich, bis nach Nola.
    Anceschi kannte den Landstrich wie seine Westentasche: Er war in Giugliano auf die Welt gekommen, unmittelbar am Rande der Mazzoni-Sümpfe. Und am Silvesterabend des Jahres 1926 nutzte er sein Wissen bei seinem spektakulärsten Einsatz während der Begräbnisfeier für einen Kriminellen. Sie war als Machtdemonstration gedacht, wie die Begräbnisfeiern der Ehrenwerten Gesellschaft im Neapel der 1890 er Jahre.
    Vincenzo Serra war der berüchtigtste Camorrista im Umland von Aversa. Er war elegant, besaß vornehme Umgangsformen, hatte 36 seiner 70  Jahre im Gefängnis zugebracht und war vor allem deshalb so bekannt, weil er in einem Teehaus zwei Carabinieri erschossen hatte. Serra starb nach einem mysteriösen Unfall im Krankenhaus von Aversa. Er wurde in der Leichenhalle im Erdgeschoss aufgebahrt, umgeben von schwarzen Tüchern, exotischen Pflanzen und dicken Kerzen. Von überallher kamen Ganoven, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Anschließend versammelten sie sich

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