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Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition)

Titel: Omertà - Die ganze Geschichte der Mafia: Camorra, Cosa Nostra und ´Ndrangheta (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Dickie
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angehalten, eine Menge Lärm zu machen, damit Agostino aus dem Haus gerannt käme. Lief alles nach Plan, konnten sie ihn über den Haufen schießen. Der Verdacht sollte auf anonyme Einbrecher fallen. Doch statt seiner kam die gefürchtete Maria Marvelli aus dem Haus, das Gewehr in Händen, und schlug die Möchtegernmörder in die Flucht.
    Um Paolo Agostino aus dem Weg zu räumen, wäre ein weitaus raffinierteres Komplott erforderlich. Am 30 . April 1936 beriefen die Romeo-Brüder hochrangige Mafiosi zu einem Treffen in eine verlassene Scheune. Nach vielem Hin und Her wurde ihr Plan bewilligt und ein zehnköpfiges Exekutionskommando bestimmt, ihn auszuführen. Der Pseudoboss Francesco Macrì erklärte sich bereit, bei der bevorstehenden Aktion den Romeo-Brüdern zur Seite zu stehen; offenbar wollte er sich seines hohen Rangs würdig erweisen. Doch die Hauptperson im Plan, der Mann, der Paolo Agostino seinen Feinden ausliefern sollte, war ausgerechnet Nicola Pollifroni – derselbe, der angeblich eine Affäre mit Maria Marvelli gehabt hatte. Pollifroni musste vor seinen Bundesbrüdern niederknien, die Arme vor der Brust kreuzen und schwören, er werde helfen, seinen Freund zu ermorden.
    Am 2 . Mai forderte Pollifroni Paolo Agostino auf, ihn zu begleiten. Er wollte einige Bienenstöcke plündern, mit deren Eigentümer er ein Hühnchen zu rupfen hatte. Als Mitglied der Ehrenwerten Gesellschaft durfte Agostino ein solches Angebot nicht ablehnen. Nach erfolgreicher Plünderung kehrten Pollifroni und Agostino, Töpfe mit duftendem Honig in Händen, auf einem entlegenen Pfad zurück. Der Weg führte durch einen schmalen Durchgang zwischen zwei gewaltigen Felsbrocken, von Stechginster überwuchert. Der Richter würde anschließend erklären, der Pfad erinnere an die immer schmaler werdende Rinne im Fußboden eines Schlachthauses, die ein einzelnes Schwein von den übrigen absondere und es zwinge, zwischen zwei Wänden weiterzulaufen, bis es sich weder vorwärts noch rückwärts bewegen könne. Kam dann das Schlachtermesser in Sicht, gab es kein Entrinnen mehr. Die Engstelle hatte bei den Einheimischen den Namen
Agonia
(Agonie).
    Als die beiden Honigdiebe im Begriff waren, den Durchgang zu betreten, blieb Pollifroni stehen. Er müsse pinkeln, sagte er. Agostino solle ruhig weitergehen.
    Der letzte Laut, den Agostino im Leben hörte, ertönte im Felsen über ihm und war ein erstickter Warnruf, so unerwartet wie vertraut. Agostinos Stiefsohn Francesco Polito war gezwungen worden, den Mord mit anzusehen. Obwohl man ihm einen Dolch an die Kehle presste, brachte er in seiner Verzweiflung den Mut auf, einen Warnschrei auszustoßen, ehe eine große Hand sich über seinen Mund legte und eine vielstimmige Gewehrsalve jedes andere Geräusch übertönte.
    Was der Mafiageschichte in Cirella einen unverkennbar faschistischen Stempel aufdrückte, war die Art und Weise, wie mit den Romeo-Brüdern, Don Francesco Macrì und den Übrigen nach ihrer Verhaftung verfahren wurde. Während des Verhörs leugneten sie, wie ihre Gelübde es forderten, jegliche Kenntnis von einer kriminellen Vereinigung, der sie angeblich angehörten. Und so wurden sie mit allem verdroschen, ausgepeitscht und verprügelt, was gerade bei der Hand war, einem schweren Lineal zum Beispiel und einem Tintenlöscher. Man nötigte sie, einen Tontopf voller Pisse leerzutrinken. Um ihre Schreie zu dämpfen, stopfte man ihnen die eigenen Socken als Knebel in den Mund und hielt sie mit Gürteln dort fest. Dann stieß man sie zu Boden, fesselte ihre Unterschenkel auf Stühle, schlug ihnen auf die Fußsohlen und riss ihnen die Zehennägel aus (was mehrere Zehenamputationen nach sich zog). Die offenen Wunden bestrich man mit Salz und Essig. Wer nicht kooperieren wollte, wurde mit Stromschlägen traktiert: Drähte, mit einer Autobatterie verbunden, wurden den Betreffenden an den Innenschenkeln befestigt, bis sie kaum noch bei Bewusstsein waren. Dann ließ man sie in den feuchten, schmutzigen Zellen im Gefängnis von Locri ohne Nahrung und Wasser liegen. Jede Bitte um ärztliche Versorgung wurde abgelehnt.
    Nach einer Weile gestanden sie, einer nach dem anderen. Immer wenn sie aufgefordert wurden, ihre Geständnisse zu wiederholen, begannen die Schläge von neuem. Die Männer von Cirellas Ehrenwerter Gesellschaft waren nun ebenfalls an einem Ort namens Agonie angelangt.
    Erst vor Gericht kamen die Foltermethoden der Ordnungshüter ans Licht. Als der Richter von den Schrecknissen

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